Dieses Album ist zwischen «The Big Swim» und den Aufnahmen mit der Band entstanden, es ist eine Art Covid-Projekt. Ich hatte damals Lust, wieder Fotos zu machen und erinnerte mich an die «Transnational Series» des Labels La Suisse Primitive, denn das ist ein cooles Format, und ich dachte mir: Könnte ich nicht auch so etwas machen? Ich hatte auch diese eher traurigen Ambienttracks, an denen ich gerne weiterarbeiten wollte und ich fragte den Grafiker Ronny Hunger und den Suisse-Primitive-Betreiber Niklaus Reichle, ob sie Interesse daran hätten. Sie meinten: «Klar, mach einfach weiter und schick es durch, wenn du das Material fertig hast.» Mit diesem Einverständnis des Labels begann ich, «Spring of Standstill» auszuarbeiten, ich gab ein Gesuch ein und erhielt einen Werkbeitrag.
Ursprünglich wollte ich ausschliesslich analog fotografieren, nach und nach schlichen sich dann doch noch ein paar Handybilder rein, die während dieser Zeit entstanden sind. Es kamen auch noch Texte dazu, denn ich merkte: Es muss noch ein wenig breiter sein. Die Musik an sich, die sehr minimal ist, könnte vielleicht auch auf einem Tape funktionieren, es ist aber natürlich cool, wenn man ein Projekt im Sinne von «wenn schon, denn schon» machen kann. Gleichzeitig entfernte ich auch wieder Fotos, die eigentlich aufregend waren, aber sie entsprachen nicht dem Gefühl, das von diesem Album ausgeht.
Die Musik enthält auch Field Recordings, die an Orten entstanden sind, an denen ich fotografierte, beispielsweise von der Schleuse in Biel. Ich dachte sogar: Vielleicht könnte ich – mega platt eigentlich – die Fotos mit dem Song, der die Sounds von diesem Ort enthält, zu einem Kapitel bündeln. Aber das wäre dann zu didaktisch geworden und ich hätte, wenn ich mich auf analoge Fotos beschränkt hätte, auch nochmals zurück an die Orte gehen müssen, von denen ich bereits Field Recordings hatte. Deshalb griff ich auch auf bereits gemachte Handyfotos zurück. Das sind etwa jene aus dem Bündnerland, wo ich im Zivildienst auf einem Bauernhof war, das war gleich zu Beginn von Covid. In diesem Sommer war die Stimmung komisch, es gab sowieso nichts mehr – keine Konzerte, keine Musik – und ich war auf dem Land. Ich fragte mich: Komme ich überhaupt wieder zurück in mein altes Leben? Könnte ich mir das vorstellen, auf einem Bauernhof zu arbeiten? Wäre das überhaupt cool? Solche cheesy back to nature-Sachen halt.
Ich wollte aber auch nicht, dass «Spring of Standstill» wie ein Covid-Projekt wirkt, es soll allgemeiner sein, wie ein Zeitpuffer wirken, der Platz schafft, Platz gibt und auch entschleunigend wirken soll. Man kann hinhören, hinschauen.
Der Releaseprozess spiegelt diesen Zeitpuffer wider. Natürlich, man könnte sagen, wir seien faul gewesen, dass dies erst jetzt fertig geworden ist, aber es ist auch im Sinn des Albums. Ursprünglich wollten wir Konzerte in Badis machen, zum Ende der Saison. Es sollten ortsspezifische Konzerte werden, mit Aufnahmen von den Menschen und der Umwelt in den Schwimmbädern und ich hätte dann auch in einer Ecke gespielt. Doch das wäre zu aufwendig geworden, um danach weiterhin zu behaupten: dieses Projekt ist gar kein so grosses Ding. Jetzt mache ich eher unspektakuläre Events, die ruhiger sind, mit Visuals, die auf dem Heimweg mit dem Velo entstanden sind und auch an Orte führen, die in den Fotos zu sehen sind, wie die Schleuse oder meine alte WG in Biel. Es ist ein Gefäss, um Dinge auszuprobieren, eines, das auch Impro-Elemente zulässt.
Auch das ganze analoge Fotoding ist mit der Zeit ein wenig abgeflaut, es ist so aufwendig, und wenn du das richtig machen willst, musst du sehr viel investieren und wie eine Karriere daraus machen. Das sollte aber nie die Idee dieses Projekts sein.
Als ich an der HKB war, habe ich hauptsächlich fotografiert. Am Schluss sagte ich mir dann: Das ist es voll nicht, ich mache jetzt Kalligraphie, und ich änderte mein Konzept. Das ist auch ein Pattern von mir: Sobald ich das Gefühl habe, «ah, jetzt habe ich gecheckt, wie es funktioniert», muss ich mit etwas ganz anderem wieder beginnen. Das ist auch in der Musik so: Sobald ich auf der Gitarre irgendwas begriffen habe, lege ich sie wieder weg und beginne vielleicht mit Bass oder mit Keyboard. Es ist etwas zwischen Selbstsabotage und wieder eine Challenge zu haben. Oder auch: Alle Aspekte von deinen Interessen ernst zu nehmen und sie auf eine gleiche Ebene zu stellen.
Die Fotografie nahm ich lange Zeit mega ernst, aber ich habe wie vergessen, warum ich das ursprünglich wirklich machen wollte. Es ist ein Medium, das mich interessiert, aber die Art und Weise, wie man sich damit profilieren muss, war überhaupt nicht meins, weil nichts direkt zurück kommt. Mein Lieblingsformat wären irgendwelche Zines oder Publikationen, aber dann musst du es sehr ernst nehmen, und auch das Backing haben von Menschen, die das machen.
Bei La Suisse Primitive wusste ich: Ah, wir haben ein geteiltes Interesse an den verschiedenen Objekten, an der Platte, an den Fotos, an einer Publikation. Es war mega gut, mit Ronny zusammenzuarbeiten, ursprünglich war es viel chaotischer, fast schon collagenmässig.
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Die Musik entstand zu einem Teil parallel zu «The Big Swim». Dieses Album war voll mit Songs, ganz ohne «Schnufistück», und wenn ich von diesen die Schnauze voll hatte – vom Tüfteln, vom Mixing –, wandte ich mich «Spring of Standstill» zu. Ein reines Songalbum wie «The Big Swim»: das kann man natürlich so machen, doch in Zukunft werde ich lieber wieder Ambientspuren oder Drones mit den Songs kombinieren.
Mit der Band wird es jetzt eh auch nochmals anders: Ich werde weiterhin meine Versionen machen, aber auch Bandaufnahmen unterbringen. Das könnte dann auf der nächsten Platte wie ein Zusammenspiel sein.
Augenwasser begann als experimentelles Solo-Teil. Ich hatte einen Blogspot, veröffentlichte dort Media-Fire-Links. 2015, als «Drones & Love Songs» auf Bongo Joe erschienen ist, hatte ich die erste Augenwasser Band, mit Juliette Rosset und Elias Gamma, später kam dann noch Levent Pinarci dazu. Denn ich meinte: Jetzt hast du diese Platte, jetzt brauchst du auch eine Band. Damals waren wir an ganz anderen Punkten mit unseren eigenen Projekten. Wir tauschten Instrumente – Juliette, die eigentlich Bass spielt, spielte beispielsweise Gitarre – und wir stellten das Dilettantische fast ein wenig zu krass in den Vordergrund. So, als hätten wir noch nie zuvor eine Band gehabt…
2022, als «The Big Swim» erschienen ist, dachte ich wieder: Ah, es wäre cool, eine Band zu haben. Doch jetzt war ganz anders: Alle versuchten, die Songs so zu spielen wie auf der Aufnahmen.
Mittlerweile ist es aber eine Band, die die Songs auch interpretiert. Auf der Band-EP, unserer ersten Studio-Platte, wirken die Songs in diesen neuen Versionen fast schon pompös. Wir wollten ja etwas anderes machen – denn wenn es schon keine neuen Songs sind, dann sollten sie anders klingen und wirken.
Es war ein grosser Luxus, im Studio mal nicht alles selber zu machen, wir liessen es von Benoît Erard aufnehmen. Ich musste damals viele Sachen fertigmachen – Sun Cousto war damals auch noch – , und so war ich froh, wenn ich mich nicht um alles kümmern musste.
Aber ich werde fix immer noch alleine Songs machen und aufnehmen, denn in der Band sind jetzt alle um die 30, wir wohnen in verschiedenen Städten mit vielen verschiedenen Arbeitsplänen. Und man muss alles ein paar Monate im Vorhinein planen. Aber wenn es klappt, uns zu treffen, ist es mega cool.
2024 war ein intensives Jahr mit diesen Veröffentlichungen und der Neustrukturierung der Band, und jetzt denke ich viel zu sehr daran, dass ich ganz konkrete Demos haben müsste, damit ich bei den nächsten Proben allen genau erklären kann, was sie spielen sollen. Momentan bin ich schon sehr im Kopf, und oftmals merke ich dann, dass es gemeinsam mit den anderen eine viel schnellere Lösung gegeben hätte.
Es ist ein Leadership-Dilemma: Eigentlich möchte ich, dass die Leute einfach sich selber sind und sich selber einbringen. Und gleichzeitig ist es auch mega cool für die Leute, die mitspielen, wenn sie eine Linie haben. Ich habe das Gefühl, dass es in der Band eigentlich gut geht. Aber in meinem Kopf stresst es mich dann doch.
Ich würde auch mega gerne mehr produzieren – so wie beispielsweise die Zayk-Alben –, Musik aufnehmen, neue Dinge im Studio dazulernen. Eigentlich müsste ich mir die Zeit nehmen, mich weiterzubilden.
Ich mache mir auch viel Gedanken, wie man Musik konsumiert. Zu Weihnachten habe ich meine ersten Noise-Cancelling-Bluetooth-Kopfhörer erhalten und jetzt öffnet sich eine neue Welt. Ich bin beim Musikhören so ein Boomer, ich hörte zuhause einfach die Platten ganz durch, sass dabei auf dem Sofa, das finde ich mega geil. Aber unterwegs im Bus das neue Cure-Album zu hören, das ist sooo…. woah, crazy! Die ganze Welt macht das schon so lange – und ich bin das jetzt erst am Entdecken, das ist absurd.
Es ist recht lustig, denn oftmals habe ich das Gefühl, dass ich nicht so viel Musik von heute höre, aber ich stöbere halt lieber in Plattenläden, kaufe lieber irgendwelche Maxis aus den 80ern oder die Klassiker und hatte bis jetzt auch kein Streamingabo. Bei den Platten hast du halt einfach das, was du hast – du hörst dann eigentlich das, was du bereits kennst, aber immer wieder anders. Wenn du am Handy hängst, denkst du die ganze Zeit: Was kenne ich noch nicht, was könnte ich noch haben, was ist Neues erschienen?
Wenn ich Programmierer wäre, dann würde ich irgendwas wie Bandcamp entwickeln, nur sozialer. Es gibt in der Musik keine unabhängige Plattform mehr, wo die Leute sind, und sie gleichzeitig auch Musik hören können. Radiosender wie NTS sind deshalb derzeit so attraktiv.
Ein grosser Teil des Musikzeugs ist auch mega mühsam geworden. Es ist einerseits gut, dass alles professioneller und ernster genommen wird, aber der bürokratische Aufwand ist fast nicht mehr tragbar. Im besten Fall pusht es dich, dich endlich als Selbständiger anzumelden, aber es gibt einfach noch mehr Adminarbeiten – und ich verdiene immer noch mehr Geld im Restaurant. Ich will jetzt nicht bitter tönen, ich muss einfach meine eigenen Prioritäten setzen.
Aber das Wichtige ist, einfach weiterzumachen. Es sollte dir einfach nicht verleiden.
2024 war nicht nur ein Augenwasser-Jahr, sondern auch das Jahr von CC Souvenir, dem Duo von Elias und seiner Partnerin Julie Balaste. Julie stösst zum Gespräch und ich frage: Wie kam es zu dieser Band?
Julie: Unser erstes gemeinsames Projekt hiess Juicy Bee and Baby Gun. Die Lieder waren von mir, und wir haben sie dann gemeinsam aufgenommen und arrangiert. Wir spielten ein paar Konzerte, machten ein Tape. Wir nahmen neue Sachen auf, freier, ohne an das Livekonzept zu denken, es waren Tracks mit mehr Beats. Diese Aufnahmen waren sehr spontan. Auf der Grundlage von Skizzen und auch Geräuschen, die ich mitbrachte, schrieben wir die Tracks und nahmen diese dann und wann auf. Denn das ist ja auch die Idee des Projekts: etwas lockerer zu sein und sich selbst nicht zu sehr unter Druck zu setzen.
Diese Tracks klangen sehr anders als unsere ersten Aufnahmen, es war wie ein neuer Start. Deshalb erschien es uns logisch, mit CC Souvenir einen anderen Namen und ein anderes Live-Setup zu wählen. Es gibt zwar mehr Spuren in den Songs, aber gleichzeitig wollten wir das Konzertsetting vereinfachen, damit es für uns entspannter, aber auch präsenter wird. Und wir haben deshalb dieses Backing-Track-System gemacht. Wir spielen zwar auf der Bühne nun weniger, wirken aber präsenter. Es ist gleichzeitig leichter und intensiver.
Elias: CC bedeutet Café Cinema, weil wir gerne ins Kino gehen und dort einen Kaffee trinken.
Julie: Genauer gesagt lieben wir es spät abends noch ins Kino zu gehen. Das ist in Biel ein wenig frustrierend, denn es gibt keine Nachtvorstellungen. Um Mitternacht in ein Kino zu gehen, einen Horrorfilm zu schauen und dazu einen Kaffee zu trinken: das ist ein grosses Glücksgefühl. Das sind wirklich sehr kostbare Momente.
Elias: Dieses Kinogefühl hat auch einen Einfluss auf unsere Musik, die viele 80ies-Elemente und viele Synthies enthält…
Julie: Es gibt sehr viele Einflüsse in dieser Musik, da wir sehr viel Musik hören. Aber wir bleiben nicht einem Stil treu, kopieren auch keinen und haben auch sonst kein strenges Konzept. Wir nehmen uns die Freiheit, uns nicht zu sehr an Regeln zu halten.
Elias: Wir sind nun fast am Ende eines Zyklus…
Julie: … wir haben fast alle Platten verkauft. Und wir haben darüber gesprochen, dass uns dieses Konzept gefällt: Wir nehmen Songs auf, machen ein Tape oder eine LP, spielen damit vielleicht eine Reihe von Konzerten über ein Jahr lang hinweg, und dann ändern wir den Namen und auch die Instrumentierung. Wir sind bereits dran an einem neuen Album, das geht dann mehr in Richtung Folk, mit mehr Gitarren. Und vielleicht gründen wir dafür eine Folkband…
Elias: Ich habe den Eindruck, es ist vor allem die Instrumentierung, die sich verändert.
Julie: Auch das grundlegende Songwriting ändert sich ein wenig. Wenn die Songs auf der Gitarre entstehen, werden die Songs anders. Praktisch ist auch, dass wir es dank den Gitarren zu Hause machen können – das ändert auch den Vibe der Songs, wenn du sie in der Stube machst und nicht in einem Raum mit einem grossen PA. Wir werden für dieses Projekt wohl das CC im Namen behalten und ein zweites Wort suchen. Aber wir haben keine Deadline oder auch sonst keine Termine, wir machen es in unserem Tempo.
Elias: Wir bleiben DIY. Wir fragen uns nicht, wie wir das perfekt machen können.
Julie: Wir zerbrechen uns zwar nicht den Kopf, aber wir machen es auch nicht aus Selbstzweck.
Elias: Es ist ein Effort.
Julie: Am Ende ist es immer viel Arbeit, auch wenn man den Aufwand gering halten will…
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