Rebecca: Je dois vite lancer l’export. Wir haben einen neuen Videoclip, der heute raus muss.
Pascal: Wir sind hier im Fri-Son zwei Tage lang am proben, vor allem für die Lightshow – und die neue Szenographie. Für den Ton haben wir hier schon im März eine Residency gemacht.
Rebecca: Das Bühnenbild ist nur für die Kilbi – ein spezielles Element für dieses Konzert. Für die anderen Festivals machen wir ein einfacheres Setup. Ich glaube, die Kilbi ist die grösste Bühne, auf der wir in diesem Sommer spielen.
Wir waren im letzten Monat viel unterwegs – spielten meist selbstorganisierte Gigs in Squats in Spanien, Frankreich und Belgien – das war sehr lustig. Manche waren wirklich «crusty», ohne gutes PA. Wir hatten den Albumrelease hier in der Schweiz, mit vielen Leuten, mit unseren Freund:innen. Und dann kam diese Tour – manchmal waren nur fünf Leute da, die keine Lust hatten, uns zuzuhören. Und manchmal war es «sold out», mit tollen Leuten. Das war ein sehr lustiger Monat.
Ich versuche immer, die Spontanität zu bewahren. Ich mag es nicht so, mich gut vorbereiten zu müssen. Beispielsweise jetzt vor der Kilbi: Wir sind nervös, doch mein Ziel ist es, einfach Lust zu haben auf dieser grossen Bühne zu spielen – ohne Angst zu haben vor Fragen wie: Ah, ich muss gut singen, muss die Lyrics kennen. Ich will mit der gleichen Energie spielen wie in diesen Squats in Frankreich, wo uns teilweise fast niemand zuhörte.
Pascal: Das Wichtigste ist, dass wir einfach Spass haben und es uns gelingt, die Emotionen rüberzubringen. So, dass die Leute tanzen und mit uns mitschreien.
Rebecca: Die Kilbi ist für uns ein bisschen wie zuhause sein. Und es ist auch eine Feier: «Wow, wir haben diese Möglichkeit, dort zu spielen auf der grossen Bühne.» Das ist für uns krass.
Rebecca: Wir haben dieses Album für unsere Verhältnisse langsam gemacht und uns viel Zeit genommen. Bei den ersten Alben ging alles immer mega schnell, es waren spontane Recording Sessions, teilweise fast One-Shots. Für «Cemento» haben wir die Zeit genutzt, viel zu überdenken, viel zu diskutieren und Kaffee zu trinken. Worauf haben wir Lust, was wollen wir sagen? Was ist für uns wichtig? Wieso nehmen wir diesen Platz ein und wieso nutzen wir das Medium Musik?
Pascal: Wir haben am Anfang wirklich viel diskutiert, was wir noch zu sagen haben und warum wir Musik machen. Jede:r hat danach für sich gearbeitet. Ich produzierte Beats, Instrumentals, habe einfach Musik gemacht – und Rebecca hat in ihrer Ecke seitenweise Texte geschrieben. Wir trafen uns dann wieder in einem Squat im Tessin und haben probiert, unsere beiden Ideen zusammenzuführen – und geschaut, was passiert.
Rebecca: Das haben wir dreimal gemacht, oder?
Pascal: Ja, zwei oder dreimal, bis wir dann endlich ins Studio gingen. Bei den anderen Alben war das viel spontaner.
Rebecca: Auch für das Sounddesign haben wir viel mehr recherchiert.
Pascal: Ich habe eine ganze Woche lang im Studio mit David, der unser Album gemixt hat, kleine Knöpfchen gedreht.
Rebecca: Nur Geek, ha.
Rebecca: Wir schreiben das Lied für das Album, nehmen es auf – und machen es dann bereit für die Live-Konzerte. Das ist wie ein neuer Weg, der zum Song führt. Dabei entdecken wir, wie unser Bodies, unsere Körper, dort reinpassen und «fitten».
Das sind meine Lieblingsmomente. Denn ich finde Studio-Sessions schwierig. Doch danach existiert der Song und du musst dir sagen: «let it go», damit du ihn auf einen anderen Weg neu zusammensetzen kannst. Das sind die coolen Momente, denn das Lied wird dann etwas anders. On s’en fout un peu, si c’est différent.
Pascal: C’est justement bien. Das ist einfach das, was uns gefällt, dass jedes Konzert ein bisschen anders ist, weil wir viel freier sind als im Studio. Dort hats eine Struktur, die definiert ist und es muss so und so gehen. Das ist für uns viel schwieriger als die Live-Performance.
Rebecca: Die Differenz zwischen der Live-Version und dem Studiotrack war früher viel grösser. Für uns war es schwierig herauszufinden, wie wir die Energie auch auf das Album bringen können. Das war auch ein Grund, dass wir uns mehr Zeit genommen haben für «Cemento».
Pascal: Bei den vorherigen Alben haben wir einfach rausgelassen, was uns nicht gefällt in der Welt, am Leben – und haben das Publikum damit konfrontiert. Bei diesem Album wollen wir das Publikum mit uns mitnehmen und so eine grosse Familie gründen, sozusagen.
Rebecca: Wir wären aber nicht die Eltern.
Pascal: Wir sind auch Kinder. Wir sagen oft, dass Crème solaire unser Spielplatz ist. Hier können wir alle Stile mischen und so sein, wie wir eigentlich sind.
Rebecca: In den verschiedenen Liedern drücken wir diese Idee aus. Du kannst dich transformieren und das sein, was du gerne sein würdest. In einem Song geht es darum, eine Blume zu sein, in einem werden wir Hunde und Hündinnnen oder eine Echse.
Dass die Texte mehrsprachig sind, geschah zu Beginn voll spontan, denn das ist auch unsere Realität, zwischen verschiedenen Sprachen hin und her zu springen. Das ist ja auch eine Idee von diesem place de jeux, mit diesen Sprachen, den Worten und der Sonorität zu spielen. Auf «Cemento» ist es ein wenig klarer, was wie und wo ist, aber ich habe nicht wirklich darüber nachgedacht. Erst als mir diese Frage einmal gestellt wurde, habe ich die Texte wieder gelesen. Wenn ich Italienisch singe, sind es eher kitschige Sachen und nostalgische Gefühle, das ist mehr so zu Hause. Im Französisch geht es viel um Party oder es sind Jokes, doch ja, es ist ein Gemisch. Wir haben auch Romanisch auf dem neuen Album – in jedem Lied hat es einen kleinen Satz.
Rebecca: Ich komme nicht wirklich aus der Musikszene, sondern aus der Fotoschule und dem Kunststudium. Der visuelle Aspekt ist mehr mein Weg, mein Vokabular. Wir haben immer viel Material kreiert. Zu jedem Lied gab es einen Videoclip. Für dieses Album hatten wir im letzten Sommer eine Residency hier im Fri-Son, in diesem Monat entstanden auch alle Covers. Ich habe sie zusammen mit Thal gemacht – mit ihm arbeiten wir oft zusammen. Das war cool, sich auch für den visuellen Aspekt wirklich Zeit zu nehmen und eine neue Identität zu erfinden. Die Kostüme macht Edmée, sie ist auch Teil des Kollektivs Coup de soleil. Sie macht für uns jedes Mal neue, überraschende Kostüme.
Pascal: Die Kostüme sehen wir meistens erst am Tag vom Konzert.
Rebecca: Wir wissen nie, ob das klappt oder nicht.
Pascal: Wir sind dabei die Coup-de-soleil-Familie zu vergrössern. Das Kilbi-Bühnenbild hat eine Kollegin aus Paris gemacht. Wir kollaborieren so viel wie möglich mit anderen Leuten, damit so viele Leute wie möglich ihre Ideen reinstecken können.
Rebecca: Für «Cemento» hatten wir dieses mega simple Bild: eine Blume, die zwischen dem Zement blüht. Das ist auch ein Klischee einer ganz grossen Ideologie. Aber dieser einfache fil rouge ist auch cool: Es ermöglicht neben uns viel Platz für verschiedene Ideen. Wir denken, das ist diese Blume und dieser Zement, aber das kann ja ja auch ganz anders sein, es ist sehr offen. Wir haben die Tendenz, zu viele Intentionen zu haben in allen Sachen, die wir machen. Mit diesem roten Faden können wir mehr Platz lassen – und wir können mehr mit Leuten zusammenarbeiten.
Pascal: Ich habe im Ganzen sechs oder sieben Bands, ich mache nur Musik, ich könnte keinen Nebenjob machen. Und Rebecca hat neben Crème solaire noch ihre Performances und Kunstprojekte. Momentan leben wir eigentlich nur von den Gagen der Konzerte, weil in der Schweiz gibt es ja nicht wie in Frankreich so etwas wie l’intermittence du spectacle.
Rebecca: Wir haben von Beginn weg immer gespielt, immer veröffentlicht, ohne Strategie. Doch jetzt haben wir mehr Support, da nicht mehr nur wir zwei im Projekt involviert sind. Das ist sehr cool – aber am Ende des Monats ist es nicht so einfach.
Pascal: Wir fahren sehr oft auf der Autobahn, um Konzerte zu spielen und werden dann auf der Bühne zu Blumen. Das ist unsere Realität.
Rebecca: Die Strasse ist ein komisches Element. Sie repräsentiert auch die Schweizer Politik und die Landschaft. Zwischen jeder Stadt hat es viele Strassen – es ist der Link zwischen den Leuten und den grauen Autos.
Pascal: Und alles ist so schön, sauber und gepflegt.
Rebecca: Wenn du in den Ferien in Frankreich warst, ist bei der Rückreise zwei Sekunden nach der Grenze alles so schön, die Strasse, die Schilder. Und du weisst: «Wir sind zu Hause». Problematisch gedacht, bedeutet das: «Finally at home, weil alles ist so…» Dieser Kontrast spielt auch eine Rolle. Aber auf dem Album gewinnt die Natur – es hat mehr Blumen als Zement.
Pascal: Es ist wie ein Hoffnungsschrei – dass wir mehr auf die Natur hören sollten statt weiterhin solche Betonblöcke zu bauen.
Crème solaire & die Bad Bonn Kilbi 2024
«Cemento» ist im März 2024 via Irascible erschienen. Crème solaire spielen am Eröffnungsabend der Bad Bonn Kilbi 2024. Weitere Festivalshows unter anderem am B-Sides und am Sur le Lac.
splatz.space ist Medienpartner:in der Bad Bonn Kilbi 2024. Wir berichten täglich. Bis dahin.
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