Xaver: Das Album ist eine gute Zusammenfassung der letzten zwei Jahre, in denen sich vieles verändert hat – auch in unseren Leben neben der Band. Wir sind alle sehr verschieden und so kommen in den Songs sehr viele unterschiedliche Einflüsse und Elemente zusammen – und viele Überraschungen.
Die meisten Songs, die nun auf «Come Closer» zu hören sind, haben wir gemeinsam bei uns im Bandraum geschrieben. Wir nahmen das Album bei Manuel Egger in seinem Studio Suburban Sound in Winterthur auf, mischten es, mischten es nochmals neu und stellten es dann fertig.
Vojko: Wir haben unglaublich viel Zeit im Studio verbracht mit diesen Songs – wir hörten so viele Versionen durch und teilweise gingen wir «batshit crazy». Es kam vor, dass Leute nach Hause mussten, weil sie es einfach nicht mehr gesehen haben.
Xaver: Die Lyrics decken verschiedene Themen ab – es geht um Liebesbeziehungen, darüber, wie es ist, im Moment zu leben oder was es mit einem macht, wenn man in der Vergangenheit lebt. Der Titeltrack beschreibt den Prozess, den wir mit dem Album hatten – und auch District Five als unser Gefäss, in dem wir einfach so sein können, wie wir gerade sind. Dieses «come closer» ist auch emotional gemeint: Was bedeutet Community und was bedeutet dieses Zusammensein für uns als Individuen? Wir vier behandeln diese Themen zusammen. Das zieht sich durch das Album.
Vojko: Vieles entsteht zusammen im Bandraum. Wir jammen und bringen unsere neuen Sounds, die wir neu gefunden haben, ins Kollektiv.
Xaver: Wir nehmen sehr viel mit unseren iPhones auf, müssen die Songskizzen, wenn sie zeitlich weit zurückliegen, auch wieder wie neu lernen ab der Aufnahme. Durch dieses Liegenbleiben entstehen auch neue Ideen, man denkt sich: «Habe ich das wirklich so gespielt? Vielleicht könnte man das noch anders machen.» Dieses Hin und Her lässt sehr viel zu und ist sehr erfrischend.
Wir einigen uns aber schon auf eine Form oder fixen ein Arrangement. Doch es kann passieren, dass wir bei einem eigentlich fertigen Song im Studio spüren, dass das so nicht funktioniert, dass wir ihn nicht «fühlen». Und wir probieren dann einen neuen Weg, eine neue Version aus. Diese Offenheit schätzen wir alle mega, dieses Gefühl: alles kann eigentlich immer alles passieren
Vojko: Wir müssen uns immer ein bisschen zurücknehmen, dass wir nicht noch weitere Teile einbauen und alles zu complicated machen. Es ist nice, auf dem Album diese Mischung zu hören zwischen Tracks, die so sind, wie sie sind und anderen, in denen zu hören ist, dass die Songs verschiedenste Arrangements und Orchestrierungen durchlaufen haben. Von «You Never Said Much» haben wir beispielsweise bereits eine Live-Version veröffentlicht. Die Albumversion klingt jetzt sehr anders – es ist ein anderes Stück mit den gleichen Lyrics. Das ist sehr spannend zu hören, was mit dem Text und mit dem Song passiert – und wie der Track eine ganz andere Wirkung erzielt.
Xaver: Wir sind auch eine Band, die relativ schnell mal findet: Okay, dieses Arrangement funktioniert, spielen wir es am nächsten Konzert live, und testen aus, wie man in einer Konzertsituation mit diesem Stück umgeht und wie das Publikum darauf reagiert. Wir haben kein fertiges Programm, sondern einen Pool von Tunes, die wir spielen.
Xaver: Unsere ursprüngliche Idee für «Come Closer» war, ein internationales Label zu finden, damit wir ein wenig aus der Schweiz rausfinden – es ist so schwierig, als Schweizer Band, die Landesgrenzen zu überwinden. Wir fingen an, die Musik herumzuschicken, wir schickten es auch Stefan Lilow, der neu das Label Stone Pixels gegründet hat und Gitarrist von L’Éclair ist. Mit dieser Band hat er genau das erreicht und ist in ganz Europa und den USA unterwegs. Stefan fühlte unsere Musik sehr, kannte unsere Perspektive genau. Es war eine sehr gesunde Zusammenarbeit, auch weil er selber Artist ist und weiss, was es bedeutet, wenn die Band kurz vor dem Release noch rasch ein Cover austauschen möchte.
Paul: Ich glaube, wir sind sehr demokratisch organisiert. Manchmal kann das ein Nachteil sein, etwa dann, wenn man immer auf alle warten muss, bis sie diesem oder jenem zugestimmt haben oder nicht. Da geht jeweils ein wenig Effizienz verloren. Aber das ist auch mega gut. Denn das ist so dangerous: in unserer Leistungsgesellschaft muss alles so schnell gehen – tack tack tack – und dann muss schon wieder etwas Neues folgen. Das Bandsein entschleunigt uns, was eigentlich gesund ist. Vielleicht ist das auch musikalisch unsere Pace: Es gibt keinen Leader, durch das können wir uns viel mehr Zeit nehmen.
Vojko: Total schweizerisch eigentlich – ein wenig langsam, sehr demokratisch…
Paul: Ja, nein…
Vojko: …das ist doch okay.
Paul: Also ich finde es einfach mega gut. Aber ja: manchmal muss es halt schnell gehen…
Vojko: In einer Band kann man auch die Arbeit aufteilen – so muss nicht eine Person alles tragen. Mit dem Songschreiben und Aufnehmen und der Promo ists ja nicht gemacht, da kommen etwa 20 Jobs zusammen. Dieses Aufteilen ist das Coole an der Band – und alle wissen, wo sie ihre Stärken haben.
Xaver: District Five ist immer die Summe von allen vier. In die Band können wir alle immer alles mitbringen, was uns beschäftigt und interessiert, ob das musikalisch oder persönlich ist. Wir kommen soweit zusammen, wie wir das wollen, wie wir das auch können. Wir vier sind sehr unterschiedlich, wie wir funktionieren, wie wir unsere Leben zurechtlegen. Nur schon das zu sehen, erfordert eine Offenheit im Umgang miteinander. Und wir lernen immer noch sehr viel, gerade in den letzten Jahren…
Paul: Es fordert uns alle immer wieder heraus, an diese Kollektivierung zu glauben. Manchmal muss man Dinge schlucken. Aber durch das, dass es auch fordernd ist, können wir auch als Kollektiv wachsen, und auch immer wieder zurückkommen, alles wieder herunterbrechen, alles wieder offen halten und alles auf den Tisch legen. Ich persönlich werde bei District Five immer wieder daran erinnert, Sachen aus einer anderen Perspektive anzuschauen. Das kann man nur annehmen, wenn man einander vertraut und wenn man sich sehr gut kennt. Manchmal ist das mega hart, aber auch mega schön.
Xaver: Uns gibt es jetzt seit zehn Jahren und wir geniessen das gemeinsame Musikmachen noch immer sehr. Für mich ist das eine Form von Erfolg. Auch dass es keinen Bandleader gibt, der für das nächste Album den Drummer auswechselt oder eine andere Band fragt, ist nicht selbstverständlich. Das macht uns auch aus.
Vojko: Dieses alte hierarchische Denken haben wir schon genug in unseren Leben. Es kann auch sein, dass jemand mal etwas mehr macht, eine andere Person etwas weniger – sogar für ein, zwei Jahre –, es soll alles akzeptiert werden.
Xaver: Jetzt freuen wir uns sehr fest, dass «Come Closer» endlich draussen ist. Sobald die Leute die neue Musik hören können, hat man auch selber wieder offenere Ohren für andere Sachen, die einen interessieren und die dir vielleicht auch Hinweise geben, wie man weitermachen will. Nun ist der Prozess wieder zugänglicher und durchlässiger, um neue Musik zu schreiben.
Was wir mögen
«Come Closer» von District Five ist auf Stone Pixels erschienen.
District Five live: 27.10., Helsinki, Zürich; 31.10., Cuadro 22, Chur; 1.11., Point 11, Sion; 2.11., Bongo Joe, Genf; 7.11., Sudhaus, Basel; 8.11., Royal, Baden
Mehr über District Five zum Lesen gibts in dieser hinreissenden Laudatio von Regula Fischer.
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