«SUPER SLOW» (2019)
Im Dezember 2018 hatte ich eine Riesenkrise. Ich wollte keine Musik mehr machen, verliess Bands, die mir nicht mehr entsprachen und entschied ich mich, keine Konzerte mehr zu geben. Diese fühlten sich an wie vielleicht ein Job bei Monsanto: Du verkaufst etwas, das du selber nicht gut findest und das dir überhaupt nicht behagt. Aber du machst es trotzdem. Das ist doch ein Scheiss.
Ich stellte mir die Frage: Wie kann ich die Musik machen, die ich wirklich will, die mir wirklich gefällt?
Ich fing für mich zuhause wieder an, Sounds mit dem Compi aufzunehmen, so, wie ich das schon als 12-Jährige gemacht habe. Es war wie Basteln, nahm es nicht sehr ernst und es fühlte sich an wie eine Rückkehr, denn es war der einzige Weg, wie ich wieder Musik machen konnte.
Bei den Aufnahmen hatte ich einen Leslie-Lautsprecher im Keller und liess alle meine Instrumente und Sounds durch diesen Rotor durch. Der Synthie, die Stimme, alles macht «rrrrrrrrrr», und gleichzeitig lief die Waschmaschine. Und alles drehte sich und alles machte einen verrückten Krach.
So entstand eine Sammlung an Musikstücken, und ich fragte mich: Was ist das Niederschwelligste, das ich machen kann? Ich entschied mich für ein Kassettli, denn das ist billig, es will nichts von dir, und ist so klein. Ich wusste damals nicht so recht, ob dies nun die Musik ist, die ich auch selber gerne hören würde, doch ein Freund, der damals wichtig war für mich, sagte mir, diese Songs seien super. Sein Zuspruch gab mir die Energie, das Tape zu veröffentlichen, sonst hätte ich es wohl gar nicht gemacht.
Nach der Veröffentlichung von «SUPER SLOW» im Sommer 2019 trafen doch ein, zwei Konzertanfragen ein, und ich dachte: vielleicht spiele ich diese trotzdem. Was ich dann auch gemacht habe.
«EASY SLEEP» (2020)
Ich habe immer wieder Phasen der Schlaflosigkeit, die manchmal wochenlang andauern, so wie im Dezember 2019. Doch anstatt mich im Bett immer wieder umzudrehen, ging ich damals in die Waschküche, nahm auf – und jede Nacht kam so etwas Neues dazu, was schliesslich zu «EASY SLEEP» führte.
Als ich die Kassette aufgenommen habe, habe ich das Material, das in der Nacht entstanden ist, tagsüber angehört. Ich war zum Teil sehr erstaunt, was da entstanden ist. Denn ich war so müde, so ausgebrannt, so dass ich mir gar nicht mehr überlegen konnte, ob das nun gut oder schlecht ist. Ich machte es einfach. Das war für mich ein sehr guter Prozess, denn ich finde mich immer wieder in Muster wieder, in denen ich denke: das ist schlicht ein Riesenscheiss, was da entstanden ist, und zwei Monate später, wenn ich mir die Songs vielleicht wieder anhöre, frage ich mich: die waren doch sehr gut, warum fand ich sie damals so schlecht? Bei «EASY SLEEP» war ich einfach im Flow, ich konnte gar nicht anders, da ich keine Energie zum Hinterfragen gehabt habe.
«EASY SLEEP» ist immer noch das Album, das ich am liebsten mag, ich höre es nicht bewusst, aber wenn es läuft oder das Kassettli gerade im Player ist, dann finde ichs schon cool.
Für mich tönt diese Musik relativ leicht, sie ist nicht schwer. Es ging für mich in dieser Zeit auch darum, mich an etwas Hellem, etwas Freundlichem festhalten zu können. Wenn ich dann auch noch Emo gemacht hätte, dann wäre es wohl nicht gut herausgekommen.
«Drum Problems» (2021)
Ein halbes Jahr später begann ich, diese Kassette aufzunehmen. Ein Grund, warum ich mich mit diesem Album schwer tue, hängt auch mit der Resonanz auf «EASY SLEEP» zusammen. Ich spürte, dass «EASY SLEEP» die Leute berührt, dass sie es toll finden. Und ich versuchte, das nachzumachen, was ich bereits einmal gemacht habe, weil das ja so gut funktioniert hat. Ich spürte aber schnell, dass sich das Material für «Drum Problems» nicht zu hundertprozentig ehrlich anfühlt.
«SUPER SLOW» und «EASY SLEEP» entstanden während einem Prozess: Das erste Tape war geprägt vom Leslie, die Musik war auch noch näher am klassischen Songwriting, mit den Akkorden und den Gitarren. «EASY SLEEP» stand im Zeichen des Yamaha DX-7 und der Nachtsessions.
Für diese Kassette begann ich nicht, an einer neuen Klanglichkeit zu forschen. Ich nahm einfach die Sounds, von denen ich wusste, dass sie sich bewährt hatten, und es fühlte sich für mich so an, als würde ich einfach copy/paste machen. Und ich hatte ein huere Züg mit meiner Yamaha-Drummachine, deshalb heisst das Tape auch «Drum Problems». Fast alle Songs sind von dieser bestimmt, doch dann befand ich: «nein, das geht gar nicht, das klingt alles scheisse».
Die Sounds waren knallhart, ganz direkt, es schmerzte mir in den Ohren und ich hasste das wirklich. Die Klanglichkeit hörte sich für mich zu lustig und zu tapsig an. Ich ersetzte dann jeden Sound mit einem anderen Sound, doch auch das funktionierte nicht – und ich ging wieder zu den ursprünglichen Versionen zurück, die mir nun weit besser gefallen.
Es soll ja nicht ein mega Musikgeek-Gespräch werden, aber wichtig ist: Ich war bei «Drum Problems» nicht am Erforschen, sondern ich war etwas am Reproduzieren. Und das ist etwas, das immer schief geht.
«Yellow and Why» (2021)
Als ich «Drum Problems» vorerst liegen gelassen habe, leihte ich mir einen analogen Synthie aus, einen Korg Polysix, der leicht kaputt ist, und begann, mit diesem Instrument Miniaturen zu bauen. Denn ich wollte unbedingt mit dem Klang etwas Neues erschaffen, etwas, das mir wirklich gefällt.
Zu jener Zeit, das war anfangs 2021, befand ich mich in einem schlimmen Covid-Loch. Das war ja damals jener Januar, während dem man das Gefühl hatte, shit, jetzt hört es nie auf und das geht jetzt die nächsten zehn Jahre so. Und wieder Lockdown, wieder keine Veranstaltungen, wieder alles absagen…
Nicht zu spielen war gar nicht so schlimm. Doch das Rausgehen, wiedermal den Zufall zu erleben, das fehlte mir sehr, denn ich spürte, ich muss wieder einmal neue Menschen kennenlernen. Wenn man in den vergangenen Jahren jemanden getroffen hat, hat man ja mit dieser Person abgemacht.
So blieb ich einfach im WG-Haus, machte ein Feuer, las Comics und Cartoons und schaute Trickfilme auf Instagram, kiffte sehr viel, und spielte gleichzeitig mit dem Synthie.
Für den Comic-Strip zur Kassette fragte ich Lina Müller und Luca Schenardi an. Sie zeichneten einst eine Geschichte von einem kleinen Dude, der sich unter Wasser auf einem Drogentrip befindet. Ich konnte mich sehr mit diesem Typen identifizieren, denn ich fühlte mich auch fast wie Unterwasser, mit meinem Laptop, dem Instrument, am Feuer, immer am Rauchen…
«Yellow and Why» erschien im Sommer 2021, und damit vor «Drum Problems», das ich erst gar nicht veröffentlichen wollte. «Drum Problems» schickte ich aber dann doch an Freund:innen und sagte ihnen: «Das habe ich auch noch gemacht, aber ich veröffentliche es nicht». Sie sagten mir: «Das ist doch schon cool», also entschied ich mich schlussendlich zur Veröffentlichung.
Als ich die Tapes für die Trackauswahl des Vinyl-Albums wieder hörte, war es cool zu merken, wie ich früher eine ganz andere Perspektive, ein anderes Ohr auf und für meine Musik gehabt habe, und mit welcher Naivität ich einige Sachen angegangen bin. Heute kenne ich die Tricks, die man beim Musikaufnehmen in einem konventionelleren Rahmen anwendet, besser. Aber wird das Material dann überhaupt «besser»? Vielleicht ist es gar nicht besser, sondern liegt einfach näher an dem, was wir gewohnt sind, weil es cleaner klingt.
Auf dem Album sind nun jene Tracks zu hören, die am ehrlichsten sind. Denn das ist für mich bei meiner Musik das Allerwichtigste: es muss schlicht ehrlich sein. Das kann dann auch ein Stück sein, das mir technisch nicht mehr gefällt, aber es passt einfach, und es ist einfach gut, wie es ist.
Manchmal höre ich Musik, die ich extrem toll finde, und ich baue sie dann als Übung für mich nach, damit ich lernen kann, welche Elemente das Stück so toll macht. Aber ich würde diese Tracks nie jemandem zeigen, weil diese sind nicht original – und sind nicht ehrlich.
Beginnt nach diesem Album ein neues Kapitel?
Seit ein paar Wochen befinde ich mich in einem Prozess, während dem ich denke, vielleicht wäre es gut, mal wirklich an einen anderen Ort zu gehen, an einem anderen Ort zu suchen. Um das auch zu schaffen, ist es so wichtig, rauszugehen. Kürzlich war ich beispielsweise am Konzert einer experimentellen Band aus Frankreich, das hat meiner Woche einen komplett neuen Dreh gegeben. Wenn ich bloss im Studio geblieben wäre, wäre ich ich im Prozess der Reproduktion stecken geblieben. Und ich hätte bloss das nochmals verdaut, was ich bereits vor einem halben Jahr verdaut habe.
Zum Rausgehen zählt für mich auch, Zeit mit Freund:innen zu verbringen, vielleicht auch Grenzerfahrungen mit Substanzen zu machen oder mit zwischenmenschlichem Zeug, das einen an die Grenzen bringt. Ich muss mich immer wieder in derartige Situationen bringen, denn mein Naturell ist eigentlich nicht so.
Aktuell befasse ich mich stark mit der Frage und dem Thema, wie viel Raum ich einnehme, welchen Raum ich mir selber eingestehe, und wie viel Raum mir gegeben wird, auch von einem feministischen Blickwinkel aus gesehen. Ich nehme nicht viel Raum ein, das beginnt mit der Niederschwelligkeit von Kassetten. Das geht weiter damit, dass ich alles selber mache, und wenn dann jemand wie bei diesem Album die Promoarbeit übernimmt, bekomme ich schon fast Panikattacken, und denke: «oh Gott, das ist doch viel zu gross. Denn ich bin doch so klein». Oder: Wenn zwei Menschen in einem Raum sind, nehme ich beispielsweise oft viel weniger als die Hälfte davon ein.
Auf die Emotionalität bezogen, bedeutet das folgendes: Ich kann sehr gut das Gefühl auf die Menschen übertragen, dass ich in etwas gefangen bin. Ich kann ausdrücken, dass ich nicht weiss, wohin ich gehe, dass ich planlos und vielleicht sehr traurig bin, während es mir doch eigentlich so gut geht. Es ist dieses Gefühl von wegen weissem Mittelstand, mega privilegiert, und doch so sad. Als stünden wir uns nur selbst im Weg. Diese Art von Emotionalität steckt ja in sehr vieler Musik drin, beispielsweise im Cloud Rap. Dies ist eine Facette, die ich mit meiner Musik irgendwie ehrlich vermitteln kann.
Aber wenn es um Anderes geht, das ich auch spüre, kann ich das im Alltag sowie in der Musik nur selten unverblümt ausdrücken. Das hat ja auch wieder mit Raum einnehmen zu tun. Hass oder irgendwelche Abgründe, die sich öffnen, kann ich beispielsweise auf eine ehrliche Art nicht in Musik übermitteln. Ich wüsste nicht wie – ausser in Liedtiteln wie «Figged si sich Frau Schluchter», obwohl es das sanfteste Lied ist, das man sich vorstellen kann.
Vielleicht finde ich ja dafür noch einen Weg, so wie eine Maria Violenza mit ihrer «fadegrad use»-Mentalität. Aber vielleicht ist es ja gerade auch gut, dass eine Musikerin wie Maria Violenza diese Emotionalität mit sich trägt und ich eine andere. Denn muss ich überhaupt verschiedene Facetten zeigen?
Die Frage nach dem Raum führt aber auch zur Feststellung, dass man Frauen, respektive FINTA-Personen, in so vielen Situationen den Platz einfach nicht gibt – und ich das Gefühl erhalte, ich störe überall. Dies geschieht auch durch tagtägliche, subtile Diskriminierungsformen, die vielen leuten überhaupt nicht bewusst sind. Für FINTA-Personen sind diese aber überhaupt nicht subtil, sondern zehren ständig an unseren Energieressourcen. Wenn wir dann auf sexistisches Verhalten reagieren, wird uns gesagt, wir seien sensibel und/oder übertreiben. Und das sei ja auch gar nicht so gemeint.
Ich habe mich ja entschieden, während meinen Konzerten am Boden zu sitzen. Das passt zur Niederschwelligkeit, die ich seit meinem ersten Album pflege, da ich etwas machen wollte, das möglichst subtil wirkt, damit ich möglichst wenig Angriffsfläche biete. Diese Art des Auftritts ist bis jetzt geblieben, weil es die Emotionalität, die ich vermittle und vermitteln will, umso stärker überträgt. Gleichzeitig bricht das aber auch nicht aus dem «Hey, ich nehme gar nicht so viel Platz ein»-Muster aus. Das führt dann dazu, dass ich an Festivals eigentlich immer zuerst spiele. Natürlich: meine Musik ist ruhig, doch ich spielte auch schon als Erste vor einem Solopianist, und das ergibt überhaupt keinen Sinn, denn meine Musik hat ja auch Beats. Oder ich mache den Support für Bands und trete bloss vor Kindern auf, die rumschreien und rumrennen. Oder ich spiele auf einem schlechteren PA mit schlechterer Beleuchtung als die nachfolgenden Musiker…
Es gibt auch Festivals mit einem einzigen «Frauenact», und das bin dann ich. Sie stellen mich an den Anfang des Programms, und denken sich: «ah, jetzt sind wir mega vielseitig und mega ausgewogen». Oftmals wird mir schlicht nicht der Platz gegeben, spät abends vor vollem Haus und vor einem Publikum zu spielen, das gut zuhört oder sogar tanzt. Ich wünsche mir von Veranstalter:innen mehr Kreativität und Mut zu unkonventionellen Abläufen und Line-ups.
Das ist natürlich nicht immer so, und schau: jetzt beginnts schon wieder mit Relativieren. Und ich sage dann: «Ich bin doch so dankbar, dass mir Platz gegeben wird, ich bin doch so froh, dass ich eingeladen wurde». Und ich habe schon wieder das Gefühl, wenn ich für ein Konzert um 19 Uhr gebucht werde und niemand hört mir zu und das PA ist schlecht, dass ich dankbar dafür sein muss, dass mir der Platz überhaupt gegeben wird.
Als ich mir gesagt habe, ich spiele keine Konzerte mehr, habe ich mir zum Glück geschworen, nie mehr mein eigenes Booking zu machen. Ich frage also nirgends an, ob ich spielen kann oder nicht. Das bringt einen sehr grossen Vorteil mit sich: Ich befinde mich nicht mehr in der Rolle so von wegen: «darf ich bitti bätti bei euch spielen», was sehr viele andere Künstler:innen machen müssen. Und dann sagt man ihnen, «ja, meinetwegen», und man findet sich noch viel stärker in einer unterwürfigen Rolle wieder.
Wenn ich jetzt angefragt werde, haben die Veranstalter:innen und Techniker:innen meine Musik bereits gehört, machen vielleicht Kissen bereit, weil sie wissen, ich spiele am Boden und so weiter. Diesen Luxus haben so viele Musikerinnen gar nicht.
Mit meinen Kassetten konnte ich Kontakte nach Frankreich, Belgien oder Deutschland knüpfen, bewege mich in Szenen, in denen die Tape-Kultur nicht als etwas Niederschwelliges angesehen wird oder als etwas, mit dem man sich versteckt. Tapes sind dort vielmehr ein Mittel zur Emanzipation.
Ich sehe es mittlerweile auch stärker von dieser Seite. Denn Tapes geben mir die Möglichkeit, finanziell und technisch etwas selber zu machen. Und ich bin von keiner Maschinerie abhängig.
Ein neues Kapitel also? Vielleicht, aber ich weiss nicht, wie sich das entwickeln wird.
Was ich mag
Support splatz.space!
Wer mag, was wir machen: Hier kann gespendet werden. Neu gibt es das splatz.space-Papier-Abo. Und Fanartikel haben wir auch.
Vielen Dank für das.