Es ist ein sehr wohliges, zufriedenes, vielleicht auch ein leicht surreales Gefühl. Ich habe es schon noch nicht ganz im Kopf, dass wir jetzt Meisterinnen sind. Ich hätte gerade Lust, die ganze Zeit gemeinsam mit dem Team zu verbringen und uns noch feiern. Gestern, als wir dann langsam wieder auseinandergegangen sind, dachte ich: «Oh, Mann, nein, ich möchte eigentlich eine Woche gemeinsam mit dem Team in die Ferien.» Ich bin auch noch nicht müde, auch wenn ich sehr wenig geschlafen habe. Ich bin immer noch auf zack und voll mit Adrenalin – der Körper ist noch gar nicht ready, um müde zu sein.
Im Finale hatte ich ein gutes Mindset, in meinem Kopf war stark präsent, dass es sehr egal ist, ob ich spiele oder nicht, Hauptsache, wir gewinnen den Titel. Dann ist mein Platz halt draussen und ich schreie rein, deshalb bin ich jetzt auch noch heiser… Rational ging das gut. Aber natürlich willst du immer spielen und nicht auf der Bank sitzen, und in beiden Spielen hatte ich die Hoffnung: «Ah, komme ich noch rein oder nicht?»
Ich fühle mich sehr wohl in Bern, fühlte mich vom ersten Tag an im Team sehr willkommen. Das Teamgefühl ist sehr cool, aber sportlich war es für mich persönlich nicht die Saison, die ich mir erhofft hatte. Zu Beginn hatte ich noch mit kleineren Verletzungen zu kämpfen, da gingen ein paar Wochen weg. Und die mentale Gesundheit ist bei mir auch immer ein Thema – ich glaube, ich bin nicht mega resistent – und Rückschläge, die Geduld benötigen, sind nicht immer einfach zu handlen.
Mein Bruder Kim – er ist zwei Jahre älter als ich – hat Fussball gespielt und ich fand grundsätzlich alles cool, was er macht. Wir tschutteten zusammen, und so ging es los. Als Vierjährige spielte ich bei den Mini-Kickers mit Buben mit – ich hatte schon sehr früh eine sehr grosse Leidenschaft, Liebe und Leichtigkeit im Fussball gefunden. Das ist eigentlich noch spannend, denn meine Eltern haben beide wirklich gar nichts mit Fussball am Hut, und es ist sehr lustig, dass beide Kinder so fussballbegeistert sind.
Mit elf, als ich bei GC in die Selektionstrainings ging und ich mit GC – ich war grosser GC-Fan – mittrainieren durfte, merkte ich, dass es wohl etwas grösseres wird. Ich steckte viel Energie in den Fussball, ich brannte mega für das. Es ging aber alles sehr natürlich.
Damals dachte ich nicht an die Zukunft – ich denke generell nicht so an die Zukunft. Vielleicht hatte ich schon einmal den Gedanken, Fussballerin zu werden und ins Ausland zu gehen. Aber jetzt nicht so voll konkret im Sinne von: «Mit 19 will ich in die Bundesliga».
Du wurdest dann nicht nur Fussballerin, sondern auch Köchin.
Da bin ich ein wenig reingerutscht. Nach der zweiten Sek besuchte ich das Gymi, und ich merkte sehr schnell, dass das nichts für mich ist. Nach ein paar Wochen ging ich zurück in die Sek, alle hatten bereits eine Lehrstelle und ich musste auch etwas finden. So machte ich während den Herbstferien eine Schnupperlehre in einem Restaurant, dort war ich schon einmal, und am Ende der Schnupperwoche war ich sehr euphorisch und der Lehrbetrieb war es auch. Sie hatten zwar schon einen Lehrling angestellt, aber da ich wegen dem Fussball eh nicht immer hätte dort sein können, sagten sie: Sie würden zwei Lernende nehmen und sie fänden es cool, wenn ich bei ihnen arbeiten würde.
Vor der Lehre hatte ich keine spezielle Leidenschaft für das Kochen – ich habe zuhause auch nicht mega viel gekocht. Beim Schnuppern hatte ich einfach Spass. In der Lehre brauchte ich schon meine Zeit, um anzukommen, es war eine grosse Umstellung vom Rumhocken und ein wenig Zuhören in der Schule – und dann in der Küche zu stehen, mit dem lauten Ton und dem Stress, den alle haben. Mich an diesen Umgang zu gewöhnen, brauchte Zeit, ich dachte auch oft ans Abbrechen, aber ich zog es durch und erst zum Ende hin habe ich voll reingefunden und kochte voller Leidenschaft. Es war ein gutes Gefühl, zu wissen, dass ich neben dem Fussball etwas habe, das mir sehr viel gibt.
Nach der Lehre hast du auch in Dänemark und in London als Köchin gearbeitet.
Es war sehr wichtig zu sehen, dass es auch andere Küchen gibt als nur jene im Rössli Illnau. Denn mit jedem Betrieb, in dem ich gewesen bin, öffnete sich der Blick. Vom Konzept, von der Idee her, kann ich beispielsweise sehr stark hinter dem Silo stehen: Alles ist so ausgeklügelt, so dass gar kein Abfall entsteht, und es wird sehr viel mit regionalem Gemüse gearbeitet. Man nimmt im Silo – und auch in der Guttere in Zürich, wo ich zuletzt gearbeitet habe – nicht einfach ein Produkt, das schon hochwertig ist wie Kaviar, sondern du hast beispielsweise eine Kartoffel, und versuchst dann, aus dieser etwas Krasses zu machen. In der Guttere war ich neu geflasht, wie ein Betrieb geführt werden kann und wie sie mit den Mitarbeitenden umgegangen sind – mit mega schönen Werten und sehr inspirierend. An so einem Ort will ich arbeiten…
Du hast auch selber ein Café geführt.
Vor 13 Jahren haben meine Eltern in Illnau, im Dorf, wo ich aufgewachsen bin, ein Café eröffnet; es gab dort einfach Kafi und Gipfeli. Als ich aus London zurückgekehrt bin, wollten sie es abgeben, und ich übernahm es mit zwei Freundinnen. Es war sehr einfach, ein bestehendes Café zu übernehmen, mit Kund:innen, die schon regelmässig kamen. Das war cool, einfach mal auszuprobieren, und zu sehen, was es alles braucht, an was man alles denken muss in einem solchen Betrieb – ohne grossen Druck, denn die Mieten in Illnau sind noch nicht so hoch wie in der Stadt.
In England war es sehr einfach, nicht Fussball zu spielen. Dort hatte ich ein komplett anderes Umfeld, in dem ich nicht Noa, die Fussballerin gewesen bin. Aber schon während diesem Jahr dachte ich daran, wieder mit Fussball zu beginnen. Als ich dann in die Schweiz zurückgekehrt bin, war ich wieder im Umfeld, in dem sich sehr viel um Fussball dreht. Ich kriegte alles wieder mit, wurde von vielen Leuten auf den Fussball angesprochen und es war schwieriger, mich abzugrenzen – oder den Cut zu machen. Das Café hat zunächst noch sehr viel Zeit beansprucht, so habe ich noch ein halbes Jahr gewartet, ehe ich zu Rappi und Oerlikon und beim SC Veltheim ins Probetraining ging. Ich habe auch noch eine Saison Futsal gespielt und sehr viel Spass gehabt.
Bei Oerlikon, das Team spielt in der Zweiten Liga, dachte ich: «Ja, dort will ich es wieder ausprobieren.» Es war eine sehr gute Zeit mit einem sehr coolen Team, es erschien alles sehr leicht. Es wurde vor allem auch viel Wert auf die dritte Halbzeit gelegt, das hat mir sehr viel gegeben.
Im Sommer spürte ich, dass ich nochmals schauen will, was ich aus mir alles herausholen kann. Ich entschied mich, zum FCZ zu gehen.
Anfangs letztes Jahr habe ich gemerkt, dass ich frustriert bin. Denn ich spielte Fussball und arbeitete in der Gastro, war aber an keinem Ort richtig dabei. Und ich fragte mich, was ich jetzt machen soll. Eine Option war, wieder mit dem Fussball aufzuhören und voll in die Kochwelt einzutauchen. Aber ich hatte das Gefühl, dass ich einen solchen Entscheid wieder bereuen würde. Und so entschied ich mich, wieder voll Fussball zu spielen. Das ist jetzt der Stand seit letztem Sommer. Momentan bin ich aber wieder in verschiedenen kleineren Projekten involviert – ich wohne auf einem Wagenplatz und dort gibts immer etwas zum Mitgestalten. Und zwei-, dreimal half ich auf einem Bauernhof, das macht auch sehr viel Spass. Deshalb gibts mit Ausnahme der Trainings bei mir keinen Alltag.
In diesem Punkt bin ich jeweils auch ein wenig ambivalent: Manchmal finde ich es gut, ein paar Sachen fix zu haben, wie etwa die Trainings, aber manchmal fühlt es sich auch sehr einengend an. Denn es ist so viel vorgegeben, und manchmal möchte ich auch einfach mal eine Woche weg, oder am Freitagabend frei haben, aber das geht halt nicht, weil am Samstag ein Spiel ist.
Es ist ein sehr cooles Gefühl, von Jahr zu Jahr die Veränderung im Frauenfussball wahrzunehmen und davon Teil zu sein, mit mehr Möglichkeiten, die sich eröffnen. Gleichzeitig ist der Frauenfussball hier noch nicht so professionalisiert, aber dennoch wird erwartet, dass man sich verhält wie ein Profi. Vielleicht braucht es dieses professionelle Verhalten auch erst einmal, um den Frauenfussball weiterzubringen…
Ich habe schon Hoffnung, dass unser Titelgewinn hier in Bern etwas mit den Menschen macht. Denn das Spiel war sehr cool und attraktiv anzuschauen – und ich hoffe auch, dass die EM längerfristig etwas bewirken kann.
Ich frage mich aber schon, wenn es immer professioneller wird – was wir ja eigentlich wollen – ob ich dann noch am richtigen Ort bin. Ob ich noch genügend diszipliniert bin und den Kopf voll im Fussball habe. Bis jetzt ist das gegangen, andererseits spielte ich jetzt auch keine gute Saison.
Die letzten paar Monate machte ich mir schon sehr viele Gedanken darüber, wie das nächste Jahr aussehen soll. Es ist glaub ich noch nicht offiziell, aber ich habe mich jetzt entschieden, noch ein Jahr bei YB zu bleiben. Was danach ist? Keine Ahnung.
Ich habe heute mit einer Freundin einen Kaffee getrunken, und sie sagte: «Crazy, du weisst ja schon, wie dein nächstes Jahr aussieht!» Ich war so: Voll, ja.
Mein Gericht, das ich am liebsten für Freund:innen koche? Weil wir oft altes Brot haben in der WG, würde ich sagen: Knödel. Wir machten das auch sehr oft in der Guttere, weichten das alte Brot in Milch ein, dämpften das… Ja, ich glaube: Knödel.
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