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«Ich merkte in diesem Moment: Das ist ein Erbenthema»

Simon Baumann

Wenn man Besitzer:in wird, macht das etwas mit einem – man trägt das System dann wirklich auch mit. Ich bin schon 2010 Hausbesitzer geworden. Damals haben meine Eltern den Hof meinem Bruder übergeben und wir haben die Alte Öle erhalten. Mein Film «Zum Beispiel Suberg» war bereits ein Versuch, das zu verarbeiten. Der Ursprung war: Wir müssen uns bekennen zum Haus, zum Wohnort, zum Dorf.

Auch «Wir Erben» hat hier seinen Ausgangspunkt: Man wird in eine Situation hineingeboren und hat später gewisse Privilegien. Weil ich Hausbesitzer wurde, hat mein Leben einen ganz anderen Turn genommen. Vielleicht wäre ich zufriedener als Mieter. Aber ich habe kein Recht mich zu beklagen. Hausbesitz ist vor allem ein Privileg.

Menschen, die «Wir Erben» bereits sehen konnten, sagen mir oft: «Hey, das ist bei mir auch so, das kenne ich so ähnlich auch.» Meine Generation kommt langsam in ein Alter, in dem manche von uns sich bekennen müssen – zu Erbe und Eigentum oder eben nicht. Bis dreissig, wenn du nichts hast – gerade wir im Kulturbetrieb – kann man bequem auf diese Fragen herunterschauen. Jetzt erwische ich mich manchmal mit so Hintergedanken: «Wenn ich Mitglied beim Hauseigentümerverband wäre, hätte das auch ein paar Vorteile.» Das finde ich dann mega schlächt.

Aber du willst ja eigentlich lieber über den Prozess des Films reden, oder?

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Stoffentwicklung

Erben war zuerst noch nicht das Thema, 2010 kam erst einmal das Dorf an die Reihe. Ich wusste: Jetzt lebe ich hier in Suberg, jetzt bleibe ich hier, jetzt habe ich hier etwas gepflanzt. Fünf Jahre später hatten wir die erste Renovationsrunde hinter uns – wir bauten beispielsweise eine neue Küche und ein neues Bad rein –, Kathrin war im siebten Monat schwanger mit unserer ersten Tochter, und wir verreisten noch einmal zu zweit nach Griechenland. Wir hatten das Gefühl: ein letztes Mal zu zweit das Leben geniessen, bevor es nur noch hart wird – ich hätte diese Tage noch viel mehr geniessen sollen, dachte ich später manchmal… Wir buchten ein Zimmer in einem Bio-Hotel, mit regionalem Food, aber dennoch stylish und auch noch zahlbar.

Als wir dort ankamen, haben uns alle anderen Hotelbesucher:innen gespiegelt. Es gab etwa noch 40 andere Paare wie wir – ein paar hatten bereits kleine Kinder, andere waren schwanger. Die Hotelgäst:innen bildeten die Kreativindustrie aus West- und Nordeuropa ab, es waren Holländer:innen und Dän:innen und Architekt:innen und Fotograf:innen. An diesem Ort kamen wir uns wahnsinnig spoiled und privilegiert vor. Wir wussten, obwohl wir sonst nicht in solche Hotels gehen und das Geld dafür auch nicht haben: Jetzt sind wir Teil von denen – die haben das Geld ja vielleicht auch nicht, aber irgendwie vielleicht doch. Vielleicht geht es ihnen ja gleich wie uns: Sie haben irgendwo eine Sicherheit im Rücken, wegen der sie überhaupt solche Berufe wählen konnten. Wir fühlten uns gespiegelt. Und dann war das Hotel auch noch voller Spiegel.

An diesem Ort begannen wir, offener über diese Privilegien und das Erben zu sprechen. Wir machten erste Notizen, es ging noch sehr stark um Werte, die wir unserem Kind weitergeben möchten. Wir fragten uns: Was für Werte sind das? Und was für Werte haben wir von unseren Eltern geerbt? Leben wir nach diesen? Und ist es nicht extrem seltsam, irgendwohin zu fliegen, weil es dort ein Bio-Hotel mit regionalem Essen hat? Es ging auch um diese verdammten Widersprüche im Leben. Wir kamen uns auch moralisch unterlegen vor gegenüber meinen Eltern, obwohl die auch widersprüchlich sind, sie haben aber ein Leben lang politisch für eine gerechtere und umweltfreundlichere Welt gekämpft. Bei mir fühlte sich diese Haltung weniger konsequent an.

Ich und Kathrin, die als Co-Autorin diesen Stoff auch immer mitspiegelt, wussten also: Das Thema haben wir, es interessiert und bewegt uns wirklich sehr. Wir dachten: Vielleicht könnten wir das alles in und mit unserem Haus, das wir eben geerbt haben, erzählen. Wir filmen jetzt unser Leben da drin. Es war aber sehr schwierig und am Anfang meist unangenehm in unserem Familienalltag zu filmen. Es entstanden Fragen wie: Was filmst du, was nicht, was ist authentisch? Es ist auch sehr ausufernd, du weisst nie, wann das Leben passiert, und denkst dir immer wieder: «Shit, warum habe ich das jetzt nicht gefilmt?»

Plus: dieses Haus steht hier in Suberg seit Hunderten von Jahren. Das wurde immer weitergegeben, und die Leute, die hier gelebt haben, hatten ganz andere Horizonte in ihren Leben und komplett andere, sicherlich eingeschränktere Möglichkeiten und Rechte. So wollte ich ein Archiv von diesem Haus erarbeiten – und einen Film machen, der nur an diesem Ort spielt. Der Film, so könnte man sagen, besteht aus zwei Archiven und man stellt diese einander gegenüber. Das eine ist jenes des Hauses – und das andere ist jenes meiner Familie, unser digitales Archiv der letzten 20 Jahre.

Ich finde es immer noch eine interessante Idee, doch die Kurzversion ist: Mit diesem Plan bin ich gescheitert.

Die lange Version geht so: Anfangs 2017 hatte ich das erste Entwicklungsdossier für die Hausgeschichte fertig geschrieben. Dieses hiess bereits «Wir Erben». In diesem spielte der Hof in Frankreich noch keine Rolle. Ich erhielt Rückmeldungen, etwa vom BAK, dass sie nicht genau wissen, was das soll, wie das wird – und sie hatten natürlich zu einem gewissen Teil recht. Ein wenig Geld erhielten wir dennoch.

Dank diesem Geld ging ich mit einem befreundeten Historiker mehrere Monate lang in die Archive. Das war eine mega spannende, aufregende Zeit. Ich habe so viel gelernt. Ich habe Bücher über die Schweizer Geschichte gelesen, es hat sich so viel erschlossen und zusammengesetzt. Die Arbeit, die Recherche war so schön gewesen, dass es für mich okay war, dass sie vorerst ohne Resultat endete. Wir fanden etwa das erste Dokument, in dem unser Haus erwähnt wurde, es ist aus Pergament, aus Geissenhaut aus dem Jahr 1440. Ich lernte, dass es Suberg nur wegen dem Wasser gab. Suberg liegt ja im Graben, der Lyssbach fliesst hier durch und bereits im Mittelalter machte man dort eine Bach-Abzweigung, um zwei Mühlen zu betreiben. Zur oberen Mühle hat eine Reibe gehört – dort wurde Flachs für Textilien gerieben – später wurde daraus eine Ölmühle, und heute ist es unser Haus.

Erst 1798, als die Franzosen das Ancien Régime weggefegt haben, ist es für den Müller möglich geworden, daraus eine Ölmühle zu machen – er wollte das schon seit langem, aber es gab noch keine Gewerbefreiheit. Es ging damals noch nicht um Wettbewerb.

Wir forschten überall: im Gemeindearchiv, im Kirchgemeindearchiv, im Berner Staatsarchiv. Und wir fanden heraus: Bis 1798 gehörte das Haus den Berner Patrizier-Familien. Das bedeutet: Alle meine Vorfahren in diesem Haus bis 1798 waren keine Eigentümer, sie waren eigentlich auch Mieter:innen. Man kann sich durch diese Geschichten und Dokumente auch vorstellen, was das alles für ein Murks war, bis eine Demokratie und eine Verfassung stand – und man fragt sich, warum wir heute so leichtfertig mit dem umgehen. Diesen Prozess zu erzählen, das wäre halt schön.

Ich glaube immer noch, dass ich diesen Film einmal machen könnte, vielleicht in zehn Jahren, wenn meine Kinder unterschreiben und sagen könnten: «Das ist okay, du darfst unsere Kindervideos für einen Film benutzen».

«Wir Erben» ist dann auf eine gewisse Art ein Ausweg für ein Projekt gewesen, das noch zu schwierig und zu gross für mich war. Ich will nicht sagen, dass der fertige Film jetzt mit meinen Eltern einfach war, das war er wirklich nicht. Aber es ist immerhin eine Möglichkeit gewesen, einen Film aus diesem Stoff zu machen.

Noch einmal die Timeline: Bereits 2017 habe ich das Entwicklungsdossier für den Film mit dem Haus gehabt. Ich ging mit dem Historiker ins Archiv, ich habe wieder ein paar Sachen geschrieben, aber ich habe kein gutes Filmkonzept hingebracht. Das Projekt war eigentlich gestorben, ich dachte, jetzt kommt etwas Neues. Ich machte daneben immer Auftragsarbeiten mit meinem Kollegen Andreas (Pfiffner), das waren Institutions- und Imagefilme, was natürlich eine bequemere Arbeit ist, wenn du kleine Kinder hast. «Wir Erben» hätte ich sicher nicht machen können mit ganz kleinen Kindern.

Und dann kam der der 17. August 2020. Meine Eltern waren zu Besuch. Beim Znacht erzählten sie, dass sie immer schneller älter werden und sie möchten jetzt darüber sprechen, was mit ihrem Hof in Frankreich passieren soll.

Mein Vater sagte: Der Hof muss in der Familie bleiben, ihr müsst zu dem schauen. Meine Mutter entgegnete, dass es für sie schon eine Option wäre, den Hof im Alter zu verkaufen. Ich merkte in diesem Moment: Das ist ein Erbenthema und es gibt verschiedene Meinungen in der Familie. Beim Hof handelt es sich nicht um ein Ferienhaus – sondern dieser Besitz ist symbolisch aufgeladen: Der Hof steht für ihre Politik, er ist nachhaltig, sparsam, er ist in Europa, er entspricht ihrem Ideal.

Durch die Beschäftigung mit dem Thema merkte ich, dass dieser Hof auf der immateriellen Ebene spannend ist, da so viel Ballast und emotionales und psychologisches Zeug mitschwingt. Ich wollte nie nur einen Film drehen, in dem bloss etwas Materielles verhandelt wird. Was wäre dann die Aussage? Dass am Schluss alle gierig sind? Das wurde schon so oft erzählt und ist so uninteressant.

Noch an diesem Znacht sagte ich meinen Eltern: «Das klingt spannend. Damit ist sicher auch ein Prozess verbunden – und diesen filme ich.» Sie sagten: «Ja, ja, filme das nur», sie nahmen es noch nicht so ernst.

Ich machte mir noch ein paar Notizen, rief ein paar Tage später den Produzenten Dieter Fahrer an, er hat bereits die Entwicklung begleitet. Und ich sagte ihm: «Hey, irgendwie so möchte ich es probieren.» Damals hatte ich bereits den Plan, die vier Jahreszeiten auf dem Hof zu begleiten, und in allen Jahreszeiten für eine gewisse Zeit auf dem Hof zu filmen – das Dossier könnte ich dann parallel dazu entwickeln. Ein Herstellungsdossier ist immer so wichtig, damit du Geld erhältst. Du brauchst einfach ziemlich viel Geld, um einen Film zu machen. Auch mit etwas Geld ist es Selbst-Ausbeutung, aber nicht mehr eine ganz so schlimme…

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Drehtage

Im Februar 2021 ging ich zum ersten Mal für 10 Tage auf den Hof. Ich wiederholte das im Frühling, im Sommer und im Herbst. Das war auch für mich ein Prozess. Ich habe seit Jahren nicht mehr die Kameraarbeit übernommen, diese hat immer mein Kollege Andreas gemacht. Aber ich wollte es meiner Mutter nicht antun, dass immer Crew-Leute im Haus herumschwirren. Und es wird durch die Abwesenheit anderer auch intimer.

Aber der Hauptgrund war dieser: In «Zum Beispiel Suberg» war ich oft vor der Kamera zu sehen, doch in «Wir Erben» hätte ich nicht gewusst, wie ich mich vor der Kamera hätte verhalten sollen. Doch wenn ich wie verschmelze mit der Kamera, bin ich auch präsent und kann mich verbal immer miteinbringen.

Ich baute ein Kamera-Rig, mit dem ich auch den Ton auf mehreren Kanälen mitaufzeichnen konnte. Das war mein Anspruch, dass es technisch auch «verhäbt», das ist ja nicht mein Erstlingsfilm und ich bin auch nicht mehr frisch von der Filmschule, ich kann und darf keinen verwackelten iPhone-Film abliefern – obwohl ich alles selber mache. Es ist jetzt von der Blidqualität her am Ende nicht alles auf dem Niveau, auf dem ich es gerne gehabt hätte. Beziehungsweise: Die schön gefilmten Szenen sind vielleicht nicht im Film, weil es inhaltlich nicht passte. Und jene Szenen, bei denen das Licht schlecht war, gefilmt an Tagen, an denen ich eigentlich gar keine Lust hatte, sind im Film, weil meine Eltern genau dann etwas Gutes gesagt haben.

Ich habe viel geübt. Im ersten Jahr fuhr ich jeweils nach Frankreich, stellte meinem Vater eine Frage – und er hat eine halbe Stunde lang einfach gschnurred, ohne Punkt, ohne mit der Stimme zu variieren. Ich sagte ihm ehrlich: «Das kann ich so nicht brauchen. Du musst einen Weg finden, kurz zu bleiben, deinen Worten auch Raum zu lassen, sonst können wir das unmöglich schneiden.» Am nächsten Tag machte er es wieder genau gleich – er ist in diesem Bereich irgendwie stur. Wenn mein Vater das Wort hat, spricht er einfach immer weiter. Ein politischer Gegner könnte ja sonst reingrätschen.

Ich stellte mir die Szenen ja voller Stille und der Ruhe, die dort herrscht vor. Meine Eltern würden ein bisschen arbeiten und ab und zu sagen sie etwas Schönes, Tiefes und Spannendes, vielleicht auch nur einen Satz. Bei der Szene, als mein Vater die Nüsse knackt, ist mir das ein bisschen gelungen, aber auch das habe ich zweimal gedreht – ein Jahr später, in der genau gleichen Situation. Diese Momente, in dem er ein bisschen brüchiger wird, wo er auch einmal nichts mehr sagt… Das sind zwar nur Details, aber diese haben mich stark beschäftigt.

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Money!

Im Herbst 2021 haben wir das Dossier eingegeben, und zum ersten Mal in meinem Leben habe ich Geld erhalten vom Bundesamt für Kultur. Das war schon etwas. Wir haben uns beim Dossier sicherlich Mühe gegeben, aber ich habe noch immer das Gefühl, dass ich meine erste Idee mit dem Haus noch besser schreiben könnte – und die Antwort wäre doch immer: «Äh, dieses Projekt hat zu viele Ebenen, die sich nicht produktiv ergänzen» oder sowas… Aber wenn du im Dossier schreibst: «Ich mache einen Film mit meinen Eltern und das ist der Konflikt», ist die Antwort viel eher: «Okay, das nehmen wir, hier hast du das Geld.» Es ist schade, dass die Filmförderung manchmal etwas wenig mutig ist, aber in diesem Fall war die eher konventionelle Anlage, die wir gewählt haben, für uns ein Vorteil: Der Sohn konfrontiert die Eltern – für einen Dokfilm ist das ja nicht gerade unheard of…

Die Finanzierung war Ende Jahr abgeschlossen – wir hatten ein Budget von ca. 600’000. Das ist recht viel Geld, da wir keine Crew hatten, aber dafür viel mehr Zeit, während der ich dran war und bin – es dauerte ja Jahre.

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Neue Drehtage und Mentoring

2022 wusste ich: Jetzt gilts, jetzt gehe ich wieder in allen vier Jahreszeiten für zehn Tage lang nach Frankreich fürs Drehen. Bis dahin ist ja trotz all dem Drehen noch nicht viel Brauchbares entstanden. Eine Zeitlang machte ich mir grossen Druck, litt auch unter diesem. Eine Freundin hat mir empfohlen, einen Coach zu suchen, eine Person, die dein Leben sortiert. Denn in diesem Film war ich Sohn, der Regie führt, ich machte auch die Kameraarbeit, alles Technische… Das Ding mit dem Sohn-Sein betraf meine Mutter, ihr ging es damals nicht gut. In mir entstand ein schlechtes Gewissen, denn trotz ihrer Gesundheit wollte ich das drehen, musste sie vor die Kamera holen für all die schwierigen Gespräche. Das hat mich geplagt, dazu kamen all die Ansprüche von mir an mich selbst, das muss jetzt einfach gut werden.

Nach jedem Drehtag schnitt ich die Highlights zusammen, schickte sie an Partnerin Kathrin oder Produzent Dieter, und sie gaben mir über das Telefon Rückmeldung. Ich hatte ja keine Möglichkeit zum Debriefing. Normalerweise bist du auf dem Dreh nie allein, du bist unter Leuten, hast eine Crew – und selbst wenn es schwierige Drehs sind, sprichst du mit deinen Kolleg:innen auf dem Rückweg über den Tag. All das hat mir gefehlt. Ich war einfach dort, führte diese so schwierige Diskussionen. Und am Abend ging ich allein in mein Zimmerli und ich wusste nicht: «War das jetzt etwas? Oder ist es einfach schlecht?» Ich konnte es nicht sagen, ich war zu nahe dran.

Diese Monate haben voll reingekickt. So buchte ich einen Onlinecoach. Das war sehr hilfreich – die Person hörte einfach zu, so wie du jetzt, und in meinem Kopf hat es begonnen, sich alles ein bisschen zu entwirren. Das war sehr wichtig.

Eine andere sehr wichtige Person war Kathrins Mutter – als ich in Frankreich war, im gesamten 80 Tage lang, wohnte sie bei uns, und konnte so Kathrin entlasten. Sie fand es super, gemeinsam Zeit mit den Kindern zu verbringen und ich war mega dankbar. Das war wie eine Grundvoraussetzung – wenn das nicht gestimmt hätte, hätte mein Vorhaben nicht geklappt.

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Erbgeschichten

Hier im Generationenhaus, in der Ausstellung «Hilfe, ich erbe!», hat es einen Raum mit verschiedenen Erbgeschichten, diesen gestaltete ich mit Kathrin zusammen. Interessanterweise finde ich diese Geschichten eindrücklicher und spannender als meine. Denn bei mir fehlt ja das Sensationelle, der grosse Konflikt, der grosse Crash, das riesige Vermögen. Es ist einfach ein Hof, der symbolisch aufgeladen ist, verbunden mit dem politischen Kampf meiner Eltern. Lange haderte ich mit dem, ich fand, das macht meine Geschichte nicht übertragbar, sie ist zu einzigartig, speziell. Und vielleicht wendet sich das gar nicht an das breite Publikum – ich hätte damals lieber einfach eine normale Situation, mit einem normalen Einfamilienhäuschen gehabt.

Aber während dem Prozess sah ich das immer mehr als eine Stärke des Stoffs an.

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Voice-Over-Texte und Musik

Ich fasste früh den Vorsatz, die Voice-Over-Texte anders, besser zu schreiben – «Suberg» hat aus meiner Sicht einen zu starken Plauderton und auf eine Art finde ich die Texte heute zu journalistisch. Ich wollte bei «Wir Erben», dass die Texte poetischer werden, stärker der Aktualität enthoben und weniger den Witz und das Lakonische suchend. Aber sich selbst zu kritisieren ist einfacher als es besser zu machen.

An den Voice-Over-Texten schrieb ich auch beim Spazieren oder beim Velofahren, einfach ins Telefon, es war ein endloser Prozess mit Recherchen und Schreiben. Ich wollte die Texte behandeln, als wären es Songtexte oder Gedichte. Es gab für mich keine Kompromisse: Sie mussten rund sein, mussten einen Rhythmus und einen Flow haben, so, wie ich das halt höre, so, dass es mir gefällt. Und dies dann noch auf Berndeutsch, obwohl ich kein Experte für Mundart bin. Suberg liegt ja nur 10 Kilometer entfernt vom Kanton Solothurn, für ein klassisches Berndeutsch hat es zu viele «Ohs».

Parallel zum Drehen schrieb ich eine Art kleines Manifest. In diesem hielt ich fest: Im Film gibt es Voice Overs, aber sie dürfen kein dramaturgisches Mittel sein und keine Szenen miteinander verbinden. Sie dürfen nicht dann eingesetzt werden, wenn mir sonst nichts mehr eingefallen ist – in den meisten Filmen ist das ja so… Aber ich habe mir das verboten.

Es gibt nun sechs, sieben Stellen, in denen mit Voice Over etwas vertieft wird, das sind eigenständige Szenen für sich. Beim Schneiden war dies ein grosses Thema. Denn die Cutterin Katharina Bhend sagte mir: «So helfen die Voice-Over-Texte nicht bei der Dramaturgie. Das ist ein Problem.»

Die Voice-Over-Texte sollten nicht meine Eltern psychologisieren, sondern sie sollen von den Eltern weg auf mich und die Gesellschaft lenken, den Horizont öffnen, die Zuschauer:innen involvieren. Beim Schreiben habe ich diese Ziele immer überprüft, und das Schreiben hat mir auch Spass bereitet. Es sind Anekdoten, Episoden meiner Biografie, in die ich anders nicht hineingefunden hätte und die wichtige Aspekte des Themas verdeutlichen. Vielleicht hätte ich mit meinen Eltern am Tisch über die einzelnen Momente sprechen können – im Sinne von «weisch no denn…» – aber es wäre viel schwerfälliger geworden. Auf diese Art konnte ich gewisse Sachen viel stärker zuspitzen und auf den Punkt bringen.

Und es gab mir auch die Möglichkeit, Musik einzusetzen. Denn bei meinen Eltern gibt es keine Musik. Einerseits wollte ich sie nicht irgendwie romantisieren, wenn sie durch das Orchideenfeld laufen und dies dann von schönen Klängen begleitet wäre. Vor allem passt bei ihnen einfach keine Musik, sie hören auch selten Musik – das ist hart, dir als Musikjournalist das zu sagen, aber sie sind einfach so. Es ist lustig, wie verschieden ich und meine Eltern auf Musik reagieren. Meine Eltern sind einfach Fan von Natur, Umwelt, Blumen, Vögeli. Aber ich mag lieber Musik.

In den Szenen von mir im Auto, auf den Hin- und Rückfahrten, hatte ich Gedanken, reflektierte, was gewesen ist – und da musste ich Musik einsetzen, auch um meine nicht sehr professionelle Sprecherstimme lebendiger zu machen, um das Monotone ein wenig zu kaschieren. Und um dem Film eine Seele und eine Farbe zu geben, nebst dem, dass meine Eltern natürlich auch eine gewisse Wärme ausstrahlen.

Da der Film sehr autobiografisch ist – ich wollte eine Zeitlang Musiker werden, spielte Klavier und Synthies – wäre es naheliegend gewesen, wenn ich nach 20 Jahren Nicht-Musikmachen diese auch selber eingespielt hätte. Aus vielen Gründen wäre das keine gute Idee gewesen. Als ich mit Jazz-Piano-Stücken ein musikalisches Layout gemacht habe, merkte ich auch, dass es zu kontrolliert geblieben ist, ich musste etwas ganz anderes ausprobieren. Ich stiess auf ein Stück einer Bluesband, der Tedeschi Trucks Band, dieser Song beginnt mit zwei Minuten Slide-Gitarre. Dieses Intro legt ich unter die Voice-Over-Aufnahmen, und irgendwas an diesem Klang hat mich so fasziniert – die elektrische Gitarre hat etwas Unkontrolliertes, im Gegensatz zu meiner Familie, die auch etwas eher Verhaltenes hat. Die Gitarre bricht das auf, bringt eine andere Energie rein als das Klavier, auch wenn es jetzt gar nicht so Stromgitarrenmässig klingt.

Schon früh ging ich so auf Roman Nowka zu und ich sagte ihm: «Es ist ein Prozess, vielleicht finden wir am Schluss heraus, dass es doch keine Gitarre sein soll und vielleicht braucht es auch eine andere Person als dich.» Bei anderen Filmen erlebte ich es nämlich, dass man sich allzu früh – aus Sympathien beispielsweise – auf eine Person festgelegt hat, und beim Schneiden merkt man dann, dass dieser Soundtrack gar nicht passt.

Mit Roman war es eine sehr schöne und spannende Zusammenarbeit, weil wir extrem verschieden sind. Er war von mir nicht kontrollierbar. Ich sagte ihm etwas und er hat manchmal etwas ganz Anderes gespielt als das, was ich im Kopf hatte. Das hat mich immer wieder auf eine gute Art überrascht – und das Heraustüfteln het gfägt. Roman ist ein super Musiker mit viel Erfahrung, der wagt, sehr fein und verletzlich zu sein in seiner Musik. Das ist ein grosses Geschenk für den Film. Wir nahmen die Stücke in einem Studio in Münsingen auf, das Patent Ochnser in den 90er-Jahren in einer alten Fabrik beim Bahnhof gebaut haben. Der Ort ist ungeheizt, mittlerweile sind sie nicht mehr dort, aber es hängen noch Sachen der Band an den Wänden.

Item, ich schweife in alle Richtungen ab, aber das ist halt so – es sind die letzten fünf Jahre meines Lebens.

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Cut!

Jetzt sind wir beim Schnitt angekommen. Mit Katharina Bhend habe ich bereits «Zum Beispiel Suberg» und «Image Problem» geschnitten. Wir kennen uns seit 15 Jahren, es ist eine gute Zusammenarbeit mit ihr. Sie ist sehr «textgschpürig», hat ein gutes Feeling für den Text. Sie ist auch sehr streng, etwa, was meine Aussprache anbelangt. «Suberg» war für sie eines der frühen und ersten grossen Projekte gewesen. Danach folgte meine ganze «Wir Erben»-Entwicklungsgeschichte und ich machte daneben Imagefilme. Im Schnitt von langen Dokumentarfilmen habe ich mich also nicht weitergebildet – ich bin noch auf dem Niveau von vor zehn Jahren gewesen, hatte aber all die hochtrabenden Ideen und Dinge im Kopf, die ich jetzt umsetzen und besser machen wollte.

Aber Trine ist die Person, die es kann. Nach «Suberg» hat sie sicher pro Jahr zwei drei Kinofilme geschnitten. Sie hat Erfahrung und durch ihr Standing gegenüber mir war die Arbeit immer auch ein Fight. Das ist eine gute Art zu arbeiten, aber es ist ein Fight.

Im Schnitt baut man den Film ja wirklich, man bringt ihn in Form, es fielen grosse Parts und ganze Themenblöcke, die für mich wichtig waren, weg. Man muss beim Schnitt von vielem loslassen, die für mich lustigste Szene musste ich beispielsweise ghüdere, die wäre quer zum restlichen Film gestanden. Bei den Jahreszeiten blieb ich aber stur, das steht auch so in meinem Manifest, obwohl Trine meinte, das falle doch nach einer halben Stunde niemandem mehr auf, ob es jetzt Sommer oder Winter sei. Aber es musste einfach eine Logik haben, und es ist auch die Art und Weise, wie ich die Zeit auf dem Hof erlebe.

In einer Phase des Projekts habe ich monatelang alleine mit SRF-Archivaufnahmen gearbeitet, ich schnitt eineinhalb Stunden Material von meinem Vater und dreiviertel Stunden von meiner Mutter zusammen, vor allem aus «Arena»-Sendungen, es sind quasi die Highlights ihrer Karrieren: die besten Statements, die lustigsten Momente. Ich habe dieses Material meinen Eltern präsentiert – man sieht das teilweise im Film –, sie konnten es unterbrechen und über die jeweilige Szene reden. Zwei Drehs umfasste das, im Film machen sie nun etwa sieben oder acht Minuten aus. Eigentlich möchte ich allein aus diesem Material einen stündigen Film machen, denn es stecken so viele andere Figuren aus der Zeitgeschichte drin, und manche von ihnen haben zum Teil das Gegenteil von dem, was sie heute sagen, gesagt… Das war mega «kill your darlings» – und am Schluss ist es reduziert auf zwei, drei Inhalte, auf zwei, drei Jokes. Viele gute Momente, auch aus der «Arena», entfalten sich ja erst, wenn du eine Minute zeigen kannst. Aber diese Zeit hast du in einem Film nicht.

Der Fight während dem Schneiden hat sich sehr harmonisch und produktiv aufgelöst. Es gibt ja auch Schnittphasen, die in einem Patt enden, in dem niemand richtig zufrieden ist, aber so war es nicht. Es war eine von Katharinas Aufgaben, mein Material und mich zu challengen im Sinne von: «das funktioniert nicht, das versteht niemand». Das hat mich auf so vielen Ebenen verunsichert – mehr als bei früheren Projekten, da ich alles selber gemacht habe und es um mich und meine Familie drehte. Ich konnte es auf keine andere Person abschieben. Doch Katharina wurde während dem Prozess immer zufriedener.

Wir machten erste Rohschnitte und Testscreenings, holten so Feedback, das war sehr schön. Denn lange war der Gedanke bei mir sehr weit weg, dass dieser Film etwas Gutes wird. Und plötzlich liegt der Gedanke, dass es gut kommt, im Bereich des Möglichen.

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Filmproduktion

Im März 2024 waren wir fertig, genau wie geplant. Ein Jahr arbeiteten wir am Schnitt – natürlich mit Pausen dazwischen – was extrem lang ist. 99 Prozent der Filmproduzent:innen würden sagen: «Das geht sicher nicht. Das kann ich dir nicht zahlen, das ist unmöglich.» Dieter Fahrer war mit seiner Haltung als Autor:innenproduzent ein so wichtiger Teil dieses Projekts. Er sagt: «Dieser Film braucht einfach so lange, wie er nun mal braucht.» Und er war bereit, viel mehr Geld in meine Richtung zu leiten, als normalerweise ein:e Regisseur:in in einem Film dieser Art von der Produktion erhält. Im Budget von 600’000 Franken wären nur 80’000 für den Regielohn vorgesehen gewesen. Die Kameraarbeit und die Schnittarbeit: alles wäre inbegriffen gewesen – für vier, fünf Jahre Arbeit, in denen ich mich fast ausschliesslich diesem Projekt gewidmet habe, hätte ich 80’000 Franken erhalten. Pro Jahr wären das so 20’000 Franken gewesen, was für mich als Familienvater kein toller Lohn gewesen wäre. Dieter hat geholfen, buchhalterisch etwas mehr Geld in meine Richtung zu leiten. Und so ist es auch möglich, ein derartiges Projekt zu realisieren und zum Teil auch kompromissloser zu sein. Du kannst dir dann sagen: «Hey, jetzt feile ich wirklich an diesen Voice-Over-Texten» – allein an diesen habe ich so viel Zeit aufgewendet wie sonst für den Schnitt eines ganzen Filmes.

«Wir Erben» ist kein pragmatisches oder effizientes Projekt. Das schätze ich so sehr an Dieter, dass er eine Haltung vertritt, in der Geld nicht die grösste Rolle spielt. Es ist auch sein letzter Film, den er produziert – danach hört er auf und löst auch seine Firma auf. Mich freut es, dass es nun auch für ihn gut aufgegangen ist und der Film eine gute Resonanz erhält.

Bei einem nächsten Projekt müsste ich zu einer konventionelleren Produktionsfirma gehen – das wird für mich ein riesiges Thema sein. In diesen Firmen arbeiten teilweise Leute aus meinem Freundeskreis, und sie müssen nunmal eine andere Haltung vertreten. Sie haben mehrere Filme, die sie raushauen müssen, es gibt Budgets, es gibt Deadlines und Grenzen des Machbaren. Ich weiss noch nicht, ob ich Lust auf diese Prozesse habe – und ob ich den Pragmatismus in mir finde. Vielleicht kann ich mir sagen: «Jetzt hatte ich Jahre, in denen ich mich ausbreiten konnte. Das war gut und jetzt muss ich da halt wieder pragmatischer werden.»

Die Filmförderung entfernt sich weit weg von Dieters Arbeitsweise. «Wir Erben» war in dieser Form gerade noch knapp möglich, aber die Arbeit war mit riesigem bürokratischem Aufwand verbunden. Dieter sagte: «Das möchte ich nie mehr machen.» Man hat die Bürokratie hochgefahren und hat damit auch die Macht der Produzent:innen gegenüber den Regisseur:innen gesteigert. Denn es sind sie, die das Geld verteilen. Jetzt ist es eben eine richtige Industrie geworden. Filmautor:innen sind in diesem System einfach austauschbare Arbeitskräfte. So entstehen Filme, die mehr nach ökonomischen als nach idealistischen Gesichtspunkten geplant und gestaltet werden.

Und jetzt kommt der nächste Schritt mit dem Streaming, in der sich alles viel stärker um Content und Marktanalysen drehen wird, es wird also nicht schöner. Ich sehe in dieser Industrie meinen Platz noch nicht. Ich bin 45 und frage mich schon, was ich in den nächsten 20 Jahren in diesem Umfeld machen werde. Wie kann ich mich streamlinen, damit ich den Streamern gefalle?

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Verleih und Zielpublikum

Einschneidend war für mich auch der Frühling 2024 mit einem Screening in Zürich – wir zeigten verschiedenen Menschen den Film, beispielsweise jenen von einem möglichen Filmverleih. Wir dachten: Filmcoopi wäre toll, und wir probierten es einfach gerade als erstes bei ihnen. Zum Glück reagierten sie sehr gut auf den Film. Sie sind in unserem Alter, kennen die Fragen rund ums Erben, und von dort ab dachte ich: ah, jetzt kommen wir endlich in eine andere Phase. Lange habe ich auch gedacht, dass der Film vor allem ein älteres Publikum ansprechen wird. Jetzt bin ich aber auch sehr motiviert, Leute in meinem Alter ins Kino zu locken, denn das Thema geht ja auch unsere Generation an. Deshalb machen wir auch einiges auf Social Media, sonst hätte man das lassen können.

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Feedback

Von Rohschnitt-Screening zu Rohschnitt-Screening bis zur SRF-Abnahme waren die meisten Feedbacks gut gewesen. Ich sage absichtlich die meisten, weil es gab auch ein paar Rückmeldungen von Personen, die vom Inhalt getriggert wurden, im Sinne von: «Warum muss ich dieser Familie mit ihrem Luxusproblem zuschauen?» Natürlich ist es ein Luxusproblem, das wird ja auch angesprochen im Film. Aber es wird ein Problem, ein Thema verhandelt, das hier in der Schweiz sehr verbreitet ist. Auch Leute, die weniger privilegiert sind, sagten mir: «Es ist doch schön, wenn man etwas erben kann, halt doch deinen Mund und freu dich über dein Haus. Willst du noch mein Mitleid?» Das als Feedback zu erhalten, hat mich auch wieder verunsichert.

Denn ich verstehe «Wir Erben» nicht als Gejammer, sondern es sollte ein Angebot, eine Möglichkeit sein, über das Erben, über Verteilgerechtigkeit zu sprechen. In diesem Fall mache ich transparent, was ich geerbt habe, was ich ohne Leistung erhalten habe. Als Filmer, als Kulturschaffender ist es das Beste, wenn ich einfach von mir rede. Es gäbe vielleicht bessere Beispiele, beispielsweise eine Person, die 10 Millionen geerbt hat – das ist klar. Aber wenn ich diese Diskussion an mir sichtbar mache, denkt eine Person, die den Film schaut, hoffentlich auch über ihre Situation nach. Und wenn das ein paar tausend Mal passiert, ist es vielleicht ein Beitrag zu einer Debatte und einem Diskurs über Fragen wie: Ist es gerecht, wie wir das Erbe verteilen? Ist es gut, dass wir einfach die Leute mit ihrem Erbe machen lassen, was sie wollen? Es gibt ja in der Schweiz keine Erbschaftsteuer mehr, die ihren Namen verdient. Von diesem Punkt haben wir noch gar nicht gesprochen: Das Thema Erbe mit dem materiellen Aspekt empört mich, es steckt etwas drin, das mich stark aufwühlt.

Mein Gerechtigkeitssinn ist ein starker Motor für den Film. Eine Szene, die das illustriert, ist jene, in der ich mein Haus in Suberg zeige. Beim Textschreiben bewegte ich mich sehr oft hin und her, im Sinne von: Was kann ich sagen? Was kann ich nicht sagen? Wie kann ich es sagen? Dass es eben als Angebot wahrgenommen wird und nicht als … Denn es ist so unschweizerisch zu sagen: «Hey, schau mal, was ich da alles habe» einerseits, und andererseits: «Ich habe grosse Mühe, dass ich das habe, denn ich habe nichts dafür geleistet.» Das kommt mir vor wie ein Tabubruch. Das ist ein Schmerz, den ich gefühlt habe beim Schreiben und den ich bei jeder Filmvorstellung haben werde. Was denken die Menschen im Saal von mir?

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Premiere

2021 und 2022, als ich gedreht habe, waren schwierige Jahre. Vielleicht war das bereits meine Midlife Crisis, vielleicht kommt sie ja erst, wer weiss das schon. Einerseits war es eine Freude gewesen, nach Jahren wieder mit Idealismus an einem Projekt zu arbeiten, das mir wirklich wichtig ist. Andererseits bedeutete es Druck und Stress. Es ist halt doof, dass mein Wohlbefinden eng mit diesem Projekt verbunden ist. Du solltest zwar nicht alles im Leben mit einem Film verbinden, denn wenn dieser nicht gut kommt, gehts dir einige Jahre schlecht. Aber dieses Risiko musste ich in Kauf nehmen. Und falls es schief laufen sollte, müsste ich schauen, wie ich dieses Schlechte ertragen oder verdrängen könnte.

Ich wusste aber vom «Suberg»-Film her, dass sich dieses Risiko lohnen kann. Es kann ja auch etwas zurückkommen. Und gleichzeitig war es ein Ringen um Identität. Wer bin ich?

Seit dem Frühling 2024 lichten sich die dunklen Wolken, mein Wohlbefinden nimmt zu, das ist sehr schön, das zu erleben.

Wir begannen mit dem Film, als meine Tochter noch im Bauch von Kathrin war – und einen Tag nach ihrem neunten Geburtstag feierten wir Premiere in Locarno vor 800 Zuschauer:innen. Sie konnte mich zuvor noch gar nicht als Filmemacher wahrnehmen, nur als Typen, der immer vom selben Projekt spricht. Es war auch schön, die Kinder bei der Premiere dabeizuhaben und diese gemeinsam mit ihnen zu erleben. Ich war in diesen Jahren so viel bei mir und nicht bei ihnen.

Das schlechte Gewissen ist auf vielen Ebenen ein Thema. Aber es hat sich bei mir etwas aufgelöst. Denn ich habe lange an etwas gearbeitet, ziemlich konsequent, und am Schluss ist daraus etwas entstanden. Ich habe meinen Kindern so auch etwas vorgelebt.

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Aussichten

Zum Glück sehen einige in unserem Film nun ein gewisses Publikumspotential. Klar, es kann auch sein, dass «Wir Erben» das Publikum dann doch nicht findet, aber zumindest für die Medien ist das Thema sehr interessant. Wohl auch weil jene Menschen, die noch Tageszeitungen abonniert haben, eher älter sind und daher näher am Thema Erben sind.

In Solothurn feiern wir nun die Deutschschweizer Premiere. Seit Locarno bin ich mit der Lancierung des Films beschäftigt. Das beinhaltet Medienarbeit, Zielgruppenarbeit, Social Media, alles in Zusammenarbeit mit dem Verleih. Locarno gab die Motivation, dass sich dieser Aufwand lohnen könnte. Vielleicht mache ich ja zehn Jahre lang keinen Film mehr, vielleicht ist es überhaupt mein letzter langer Film, das weiss ich noch nicht.

Ob ich den Film noch schauen kann? Nein, es schwingt immer dieses Schamding mit, etwa wegen meiner Stimme. Aber was mir guttut, ist, wenn ich merke, dass es die Menschen im Saal ganz anders als ich erleben.

Für meine Mutter ist es wohl ähnlich: Sie hat auch manchmal Mühe mit sich selber und denkt sich: Schade, dass ich das nicht besser gesagt habe, schade, dass ich mich nicht besser vorbereitet habe.

Für meinen Vater ist es anders, er sieht sich gerne selber, da ist er weniger am hadern als wir. Er hat «Wir Erben» schon x-mal geschaut und sagt: «Jetzt wird mir Einiges langsam klarer». Aber er hat auch nicht so fest dran geglaubt, dass dies spannend werden könnte, er hatte keine hohen Erwartungen.

Für meinen Bruder war die Nähe wohl irritierend – denn ein Film ist ein sehr zugespitztes Abbild der Realität. «Wir Erben» ist ja kein Dokumentarfilm in dem Sinne, sondern es ist einfach ein Film.

...

Das war jetzt schön für mich, mich so ausbreiten zu dürfen. Es fühlte sich allerdings manchmal auch etwas selbstverliebt an. Es ist halt eine ewige Gratwanderung Filme über sich und seine Familie zu drehen. Ich hoffe einfach, dass meine Offenheit nicht als sinnloses Jammern über meinen Wohlstand aufgefasst wird, sondern als Angebot, zusammen über Gerechtigkeit nachzudenken.

 

Was ich mag

  • Bücher und Filme, in denen nicht die Story, sondern Lebenswelten im Zentrum stehen
  • Musik
  • Reisen mit meinen Töchtern und meiner Partnerin
  • Ideen haben
  • Mich auf etwas freuen
  • Staubsaugen

 

 

«Wir Erben» ist nominiert für den Schweizer Filmpreis in der Kategorie bester Dokumentarfilm.

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Klara Germanier

«Ich möchte einfach, dass es ungefiltert ist»

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«Ich kann diese Musik nicht erzwingen.
Ich muss sie einfach passieren lassen»

Giovanni Sammarco

«Es geht immer um das Zusammenspiel»

×
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«Im Kino einen Horrorfilm schauen und dazu einen Kaffee trinken ist ein grosses Glücksgefühl»

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«Ich merkte in diesem Moment: Das ist ein Erbenthema»

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«Ich ziehe einfach von Natur aus Dinge an,
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Ich muss sie einfach passieren lassen»

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Ziska Staubli

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Sina Egli: 6:51:32

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«Ich will so frei wie möglich Düfte kreieren»

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Helvetiarockt
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Christoph Küng

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Intracity Courier

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Salomé Mooij

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Shusha Niederberger

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Noemi Somalvico:
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Aus der Reihe «Wagnis Wirklichkeit»

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