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«Let’s have less and more space»

Tara Clerkin Trio

Tara: Der Prozess… Wir haben ihn noch nicht festgelegt.

Sunny Joe: Es gibt keinen Prozess.

Tara: Es ist jedes Mal anders. Wir würden uns schnell langweilen, wenn wir immer das Gleiche machen würden. Wir finden beispielsweise ein Sample, nehmen uns selbst auf – und sampeln das dann ziemlich oft.

Sunny Joe: Beim ersten Album war die Idee das Self-Sampling. Wir spielten Elemente, die klingen wie Samples von Jazz-Platten, aber es sind nur wir, die spielen. Dann muss man nichts für die Nutzung bezahlen. Kürzlich haben wir über die Arbeitsweise nachgedacht, weil wir mit unserer nächsten Platte beginnen wollen. Wenn wir auf Tour einen freien Tag hatten, haben wir ein bisschen geprobt und versucht, neue Sachen zu schreiben. Es ist interessant, weil ich das Gefühl habe, dass man das nicht erzwingen kann. Wenn wir zum Beispiel zu Hause sind und die ganze Zeit in normalen Jobs arbeiten, ist es manchmal schwer, Inspiration zu finden und Kunst zu machen, weil man müde ist und einfach in seinem Day-to-Day-Vibe lebt. Aber wenn man dann wegfährt, kommt man mit so viel anderer Musik in Berührung, von anderen Künstler:innen, Orten, Menschen und Kulturen. Ich glaube, das beeinflusst unsere Musik, die ja auch Popmusik ist, und bringt die Kreativität zum Fliessen. Und es gilt dann, Wege zu finden, um Ideen oder Gefühle oder Dinge, die man durch seine Kunst vermitteln möchte, umzusetzen. Das kann sich um Musik handeln, die wir gerade mögen, es können aber auch andere Einflüsse sein. Einfach das, was aus einem Gedankenprozess oder der Umgebung oder was auch immer stammt. Das ist die High-Brow-Antwort. Anyone else?

...

Sunny Joe: Auch Loops sind ein guter Startpunkt.

Tara: Wir verbringen viel Zeit mit dem Mixing und Bearbeiten der Aufnahmen. Unsere Musik ist ziemlich zusammengeschnitten, mit vielen Overdubs. Der Grossteil unserer kreativen Arbeit steckt im Mixing.

Patrick: Was den eigentlichen Prozess des Schreibens angeht, so fängt es meistens damit an, dass wir herumjammen und uns sagen: «Oh, das klingt cool. Lasst uns das in einen Loop packen.» Wir versuchen aber, uns nicht mehr so sehr auf Loops zu verlassen, denn man kann nie einen Tonartwechsel oder ähnliches unterbringen – darüber sprechen wir viel. Aber Loops sind ein wirklich guter Ausgangspunkt, weil man einfach etwas aufnimmt und dann darüber spielt. Dann denkst du dir: «Oh, das wäre auch cool.» Du kannst Sachen reinschmeissen und so das Stück aufbauen – und hast einen Haufen Sounds, mit denen du arbeiten kannst.

Sunny Joe: Wenn man viel Zeit mit einem Material oder einem Konzept oder was auch immer verbringt, dann kann man mehr daraus ziehen und das kann den Weg lenken, besonders bei Loops. Je öfter man sie zum Beispiel hört, desto mehr hört man in einem Sound.

Tara: Wir machen random Loops und geniessen es dann wirklich, einfach nur dazusitzen und zuzuhören, immer wieder und über eine sehr lange Zeit. Es ist schön, einfach zu sagen: «There you go. Enjoy this as well.»

Sunny Joe: Es ist auch gut, die Dinge nicht zu überstürzen. Ich würde sagen, Tara ist ein ziemlich langsamer Mensch. Ich bin ein schneller Mensch. Du, Tara hast also die Kontrolle über diese Dinge und das diktiert das Tempo.

Tara: Ich neige dazu, bei allem, was wir haben, zu sagen: «Können wir das wegnehmen? Können wir es verlangsamen? Let’s have less and more space.»

Sunny Joe: Die Tracks wachsen so langsamer.

Tara: Du hingegen bist immer: «more, more, more!»

Sunny Joe: Just like, chuck it all…

Tara: …and end up in the middle.

...

Sunny Joe: Ich spreche oft über die Wahrnehmung der Zeit. Es gibt einen Dokumentarfilm darüber und wie sich diese – je nach dem Reiz, dem Menschen ausgesetzt sind – verändert. In einem Experiment hatten da einige Leute eine VR-Brille auf und sahen sich verschiedene Aufnahmen an, in denen sich andere Personen durch einen Bereich bewegten oder sich in einem Raum aufhielten, und sie mussten auf einen Clicker klicken, wenn sie dachten, dass 10 Sekunden vergangen waren. Die Personen, die sich in einer eher repetitiven oder weniger abwechslungsreichen Umgebung befanden, waren der Meinung, dass die Zeit viel schneller vergeht als jene Personen, die sich in einer abwechslungsreichen Umgebung aufgehalten haben. Wenn man sich einen Film zum ersten Mal ansieht, kommt er einem ja sehr lang vor. Wenn man sich den Film noch einmal ansieht, erscheint er manchmal fast halb so lang, was die Zeitwahrnehmung angeht. Das ist wirklich interessant, denn wenn man einen Job hat – du arbeitest etwa von 9 bis 17 Uhr, von Montag bis Freitag –, dann kann die Zeit theoretisch zu einer einzigen Sache gerinnen und wie im Flug vergehen. Aber wenn man mehr Abwechslung hat und jeden Tag etwas anderes macht, dann kann sich die Zeit viel länger anfühlen. Es ist, als ob dein Leben doppelt so lang wäre.

Das hängt also alles davon ab, wie die Menschen Zeit wahrnehmen, verstehen und erleben. Bei der Wiederholung von Loops oder in Minimal Music finde ich es schön, wenn man sich einfach hinsetzen und etwas immer wieder anhören kann, ohne auf Veränderungen zu warten – oder sie einfach geschehen zu lassen. Das ist es, was ich am Minimalismus liebe, weil er so viel Raum in dieser Musik einnimmt.

Tara: Ja, man stellt sich auf die leichten Veränderungen ein oder du beginnst, es wirklich zu mögen, dass es an einer bestimmten Stelle aus dem Takt ist oder was auch immer. Es ruckelt beispielsweise, und man freut sich jedes Mal darauf, wenn dieses Element wiederkommt.

...

Tara: Ich habe Sonny in Bristol an der Universität kennengelernt. Wir leben so lange in Bristol, wie wir in unseren jeweiligen Heimatstädten gelebt haben.

Sunny Joe: In Bristol gibt es viele unterschiedliche Szenen, aber sie sind doch auf eine Art gleich, weil die Stadt gross genug für eine ganze Menge Musik ist, aber nicht so gross, dass die Menschen und Musiken nicht miteinander in Kontakt kommen würden. Das ist wie ein Venn-Diagramm. So gibts diese coole gegenseitige Befruchtung von Klängen und Leuten und was auch immer. Das ist sehr…

Patrick: Sehr was?

Sunny Joe: Ich versuche, hier die Antwort zu öffnen, denn ich werde nicht zu viel reden. Also: «Sehr inspirierend.»

Patrick: Yeah, es ist die Vielfalt. Es gibt eine Menge älterer Breakout-Acts, aber als wir anfingen und eine Weile zuvor, gab es so viele Experimente in so vielen kleineren Bands, die einfach für sich spielten – just mess around and doing fun stuff.

Sunny Joe: Diese Musik war sehr auf die Stadt beschränkt. Aber langsam wurde sie auch ausserhalb von Bristol gehört, und das verändert die Dynamik.

Patrick: Ausserdem habe ich das Gefühl, dass die Welt durch die ständige Hyperkommunikation kleiner wird und es wird immer schwerer, «self contained» zu bleiben.

Sunny Joe: Wir kommen jetzt immer öfter nach Europa, und bekommen so mehr von der europäischen Musikszene mit. Das ist eine ganz andere Erfahrung, als wenn man in Bristol ist. Natürlich finden wir Musik im Internet, aber wenn man regelmässig zu ein paar Gigs pro Woche geht, und das sind alles deine Gleichgesinnten, dann nährt sich das wirklich von selbst.

Tara: Ich finde Live-Musik auf jeden Fall viel beeindruckender, als wenn ich sie als Aufnahme anhöre – weil man sehen kann, was die Musiker:innen tun. Man stellt im Grunde eine Verbindung zwischen den Dingen her, die man alles machen kann.

Sunny Joe: In Bristol gibt es schon seit langem eine Verschmelzung von analogen und elektronischen Sachen. Das kann Dub-Techno sein, aber im Hardware Style oder Gitarrenbands, die ein paar Synthesizer oder Laptops haben. Es geht um Sampling-Sounds und Geräusche, aber gespielt mit Schlagzeug und so weiter. Es hat immer diesen Fusion-Vibe.

Patrick: Es gibt viele Berührungspunkte. Es gab eine Zeit, in der die Leute über jenen Techno sprachen, der seinen Ursprung im Punk-Techno von Bristol hatte, oder über Sachen, die stark von Gitarrenrock-Bands und Industrial-Musik beeinflusst waren. Es gab eine Zeit lang eine Menge Industrial-Techno, der verdammt grossartig war. Ich vermisse das, das gibt es nicht mehr so oft. Aber ich glaube, das lag zum grossen Teil daran, dass es eine ziemlich reiche Clubbing-Szene gab mit einer Menge experimenteller Musik und Leute, die meinten: «Oh, dieser harsche Noise klingt cool. Wenn ich jetzt noch eine Kick-Drum darauf lege…»

Sunny Joe: Es war schön, zu Clubnächten zu gehen, wo die meiste Musik live gespielt wurde. Diese Gigs dauerten wirklich lang, bis spät in die Nacht. Danach waren alle lockerer drauf und hatten Lust zu tanzen und so. Das war ein grosser Spaß. Aber leider sind die Regeln in Grossbritannien jetzt sehr streng geworden, das ruiniert das Nachtleben.

Patrick: Es gibt viel weniger richtige DIY-Räume als früher….

Sunny Joe: In Grossbritannien verschwinden viele DIY-Räume, sobald neue Gebäude gebaut werden. Aber da es nicht viel Kunstförderung gibt, müsste es mehr im DIY-Stil gemacht werden. Doch wenn der Raum das nicht mehr zulässt, dann findet es im Grunde genommen nicht statt.

...

Tara: Wenn wir einen fast fertigen Song haben, spielen wir ihn gerne so oft wie möglich live, und dann können wir ihn auf diese Weise fertigstellen. Es wird klar, was funktioniert und was nicht, wenn wir das immer wieder live spielen.

Patrick: An ein paar der Songs der letzten Platte haben wir gefühlt mindestens ein Jahr gearbeitet, bevor wir sie aufgenommen haben. Als wir dann soweit waren, haben sie sich im Laufe der Zeit verändert und wir haben herausgefunden, wo sie hingehören und wie sie funktionieren sollen und so weiter.

Tara: Manchmal ist es auch andersherum. Wir können alles am Computer in einem Studio machen und müssen dann herausfinden, wie wir es live spielen können.

Sunny Joe: Wir haben einen gewissen Spielraum, wie wir unsere Livesets gestalten. Aber ich glaube, die Leute kennen unsere Musik jetzt besser und ich möchte sie nicht enttäuschen, indem wir nur Songs spielen, die sie noch nicht kennen – früher sind wir da vielleicht ein bisschen freier damit umgegangen. Wisst ihr, was ich meine?

Tara: Weisst du, wie es ist, wenn du zu einem Konzert gehst und ein paar Songs hast, die du unbedingt hören willst?

Sunny Joe: Ich respektiere das aber auch sehr. Ich habe Broadcast an einem All Tomorrow’s Parties gesehen, das war kurz vor dem Tod von Trish Keenan. Sie spielten eine Art Live-AV-Set, bei dem sie nur ein grosses Pult vor sich hatten und coole Sounds spielten. Es war ziemlich psychedelisch und laut und sie hatten all diese visuellen Effekte und so. Ich rief, dass sie «Tears in the Typing Pool» spielen sollten. Sie sagte, ich solle mich verpissen. Ich erinnere mich wirklich sehr lebhaft an dieses Set – und ich habe es wirklich genossen.

Das Tara Clerkin Trio

Das Tara Clerkin Trio hat 2023 die fantastische EP «On the Turning Ground» auf dem Label World of Echo veröffentlicht, die noch immer ihre Runden dreht. Zudem haben die Drei eine monatliche Sendung auf NTS. Nächste Konzerte? Hoffentlich bald.

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