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«Wie ich an der Front gelandet bin, fragst du? Nun: der Schmetterlings-Effekt»

Viktor Holikov

Mein Name ist Viktor Holikov. Ich bin in der Stadt Lutsk im Nordwesten der Ukraine aufgewachsen. Ich liebe diese Stadt sehr. Früher, im zivilen Leben, war ich Fotograf. Seit eineinhalb Jahren diene ich als Soldat.

Bern ist meine zweite Heimat; ich fühle mich hier sehr wohl. Ich bin schon über dreissig, wohl eher vierzig Mal hier gewesen.

...

Gestern kam ich in Bern an. Dabei überkam mich ein Gefühl, das ich nicht klar beschreiben kann. Es ist sehr schön, dieselben Menschen wiederzusehen. Ich habe aber innerhalb von drei Tagen meine Realität komplett gewechselt: von der Front in das wohl friedlichste Land der Welt. Es ist ein seltsames Gefühl, in so kurzer Zeit in zwei völlig unterschiedlichen Welten zu sein. Mein Urlaub begann letzten Donnerstag. Ich wusste nicht, ob man mich gehen lassen würde. Die Lage an der Front ist sehr hart. Ich habe gesagt, dass ich versuchen werde, Geld für die Armee zu sammeln. Das ist wohl der Hauptgrund, warum ich hier bin.

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Es donnert; Viktor zuckt leicht zusammen.

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Meine Haut ist dicker geworden. Ich rauche mehr seit Kriegsausbruch. Es fällt mir schwerer, Gefühle zu teilen. Aber vor fünf Monaten ist etwas Wundervolles passiert. Ich bin Vater geworden. Das Symbolische daran ist, dass unsere Tochter an der Front gezeugt wurde. Meine Frau hat mich besucht – damals war ich etwa 20 Kilometer von der Front entfernt.

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Ich bin ein riesiger Fan von Imperfektion. Deshalb sind meine Fotos auch nicht die schärfsten. Ich liebe es, wenn Aufnahmen etwas verschwommen, etwas körnig sind. Die Komposition darf nicht allzu perfekt sein. Es ist der Moment, den ich einfange – das war’s. Spiegelungen, Staub, sogar Autoteile; das alles gehört zur Komposition. Und das macht sie imperfekt.

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Was Schönheit ist? Ich kann es nicht mit Worten beschreiben. Aber für mich bedeutet es, ein Foto im richtigen Moment, am richtigen Ort zu machen. Habe ich auf den Auslöser gedrückt oder nicht? Hatte ich dieses bestimmte Gefühl in mir? Es läuft immer durch meinen Filter. Es geht immer darum, wie ich diese Schönheit sehen will.

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Ich bin ein grosser Beobachter und ein grosser Schwamm.

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Ich will dir den Ort zeigen, an dem ich fast gestorben bin.

Viktor reicht mir sein Handy. Darauf: ein Video eines Raketenhagels.

Es war Nacht. Ich lag auf dem Boden neben einem Rettungswagen. Der Lärm ähnelt Donnergrollen.

Gestern nach meiner Ankunft stieg ich aufs Hausdach, um die Aussicht zu geniessen. Über mir dröhnte ein Helikopter. Aus der Ferne hörte man einen Lastwagen, der über die Brücke fuhr. Das klang wie ein Maschinengewehr. Ich musste mir sagen, dass ich hier nicht in Gefahr sei. In eineinhalb Jahren hat sich meine Wahrnehmung verändert.

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Wie ich an der Front gelandet bin, fragst du? Nun, der Schmetterlingseffekt. Ich lebte vor Kriegsausbruch ein paar Monate in Estland. Ich musste zurück in die Ukraine, um mein Visum und meine Papiere zu verlängern. Ich kam zehn Tage vor Kriegsbeginn zurück. Ich habe die Papiere nicht rechtzeitig erledigt – also blieb ich.

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Meine Fotos unterscheiden sich von den geläufigen Kriegsfotografien. Fotojournalist:innen müssen das Schlimmste zeigen. Ich bin ein heiterer Mensch. Ich versuche, das Ganze wenn nicht auf eine gute, dann auf eine bessere Art zu zeigen. Ich versuche, selbst in diesen Dingen Schönheit zu finden. Vielleicht ist das für dich gar nicht schön. Aber für mich, aus meiner Perspektive, ist es irgendwie schön. Es ist wie mein Tagebuch – nur dass ich nicht schreibe.

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Davor hätte ich mir nie vorstellen können, jemals in der Armee zu sein. Nie. Ich bin aus einem anderen Holz geschnitzt, oder wie man auf Ukrainisch sagt: aus einem anderen Teig gemacht. Aber als es losging, legte sich in mir ein Schalter um. Ich habe realisiert: Jemand kommt in dein Haus, in deine Küche, und sagt: Jetzt wohne ich hier. Und du kannst nichts tun.

Es wäre nicht fair gewesen, davor zu fliehen.

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Die Ausstellung soll Menschen daran erinnern, dass der Krieg andauert und täglich härter wird. Und gar nicht so weit weg ist von Bern. Ich zeige nicht das Schlimmste, aber ich zeige, dass das unsere Realität ist.

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Ich versuche hier in Bern, meinen Kopf ein wenig abzuschalten, meinen Stresspegel zu senken.

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Als Soldat habe ich keine Kontrolle mehr über mein Leben. Vielleicht würde ich ohne den Krieg weiter als Fotograf arbeiten, in einem friedlichen Land leben, vielleicht in der Schweiz. Aber man kontrolliert sein Leben nicht. Man sitzt nicht am Steuer. Hinter der Kamera zu sein hilft mir, diese Realität zu akzeptieren. Da ist ein grosser Panzer, der Granaten abschiesst. Das ist zwar gefährlich, aber hinter der Kamera scheint es sicherer. Es fühlt sich dann an, als würde ich einen Film schauen.

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Ich benutze eine spiegellose digitale Nikon. Diese Kamera ist ein Veteran: Sie hat schon über eine Million Fotos gemacht. Einige Teile sind bereits kaputt. Ich stand einmal sehr nah an einem Panzer, der ein Geschoss abfeuerte. Die Druckwelle war so stark, dass der Bildschirm kaputt ging. Nach ein paar Tagen funktionierte er wieder.

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Ich greife nicht ein; ich fange nur den Moment ein. Explosionen, Ruinen, Leben nahe der Front – das sind die Konsequenzen der russischen Invasion in unser Gebiet. Es geht um Beobachtung. Vielleicht siehst du in den Fotos keinen tieferen Sinn. Aber ich weiss, dass dieses abgelichtete Auto zur Front fährt – vielleicht kommt es nie zurück. Diese Ruine: Dort schlug gestern eine Rakete ein; vielleicht starben Menschen. Dieses Gebiet ist jetzt von Russland besetzt. Und all diese Fotos tragen diese Konsequenzen in sich.

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Meistens fotografiere ich in Schwarz-Weiss. Für mich geht es um Form, nicht um Farbe. Schwarz-Weiss war vor fünfzig Jahren interessant und wird es auch noch in fünfzig Jahren sein. Farben ändern sich ständig; Schwarz-Weiss ist zeitlos. Es dehnt sich in der Zeit aus.

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Die Armee ist nicht der Ort, an dem ich meine Zeit verbringen möchte. Ich werde das erste Lächeln meiner Tochter nie sehen, denn es galt ihrer Mutter, nicht mir. Vielleicht verpasse ich ihren ersten Zahn. Vielleicht ihre ersten Schritte. Diese verlorenen Momente schmerzen am meisten. Das ist wahrscheinlich das Traurigste für mich: dass ich die Zeit nicht so verbringen kann, wie ich will.

Viktor Holikov

Viktor Holikov auf Instagram und seine «Around the War»-Fotos

Die Ausstellung «Konsequenzen» ist bis zum 6. Juni im Werkhof am Egelsee in Bern zu sehen.

Auszüge aus diesem Gespräch wurden im RaBe Info vom 23. Mai 2025 veröffentlicht.

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