Come on, let’s work. Stundenlang, tagelang, jahrelang, bis so ein Festival wie die Bad Bonn Kilbi zu einem solchen Festival wird. Oder bis sich so eine Band oder eine Gruppe an Musiker:innen mobil und stur und grossartig und lachend und schreiend in ganz eigenen Gebieten kreisen kann. Und: schauen wir uns doch dabei an. Weil vielleicht entwickeln sich da gleichzeitig auch Codes und Zeichen, die nur wir gemeinsam so lesen können – und die nur wir verstehen. Hier ein Hint mit dem Gitarrenhals, da ein Nicken, dort ein Augenverdrehen. Spielst du, und ich setze dann ein?
Am letzten Kilbi-Tag beispielsweise: Spielen am Boden, und nicht von oben, gleich zweimal. Zuerst Omni Selassi in der Bogenhalle und nicht wie geplant am Strand, der Ausfall von Manuel Troller machte es nötig/möglich (gute Besserung!). Nach dem Maximum an der Früh-Herbstkilbi 2021 sind Lukas Rutzen und Rea Dubach und Mirko Schwab nun zu dritt im Dreieck und belauern sich, folgen sich, tricksen sich, fordern sich, bespassen sich. Natürlich geht das hin in ein ausgelassenes «Cashew Carry» – fast das einzig klar Benennbare in diesem atemraubenden Set – doch bis und ab dort gehts noch so viel weiter zu allen Seiten. Diese Wege, die hin in den einfahrenden Doom-Slow-Schluss führen, kennen nur sie, aber entrückt von allem sind Omni Selassi nie, weil hört doch nur diesen Applaus. Oder besser auch hier: einfach mal in die Gesichter schauen. Oh Joy.
In der anderen Festivalecke fast im Anschluss spielen auch Donna Candy am Boden, auch hier mit Gitarre-Schlagzeug-Stimme. Die manipulierte Sprache ist im weitesten Sinne Hardcore, die Pausen und Verschleppungen und Beschleunigungen passieren im Moment, die Drums sind wahrscheinlich das Interplay-Sprachzentrum. Auch hier am Schluss: Euphorie – aber gleich gehts weiter.
Nun aber bitte ohne Überraschungen. Denn Marina Herlop hat die am Computer zusammengebauten «Pripyat»-Tracks auf ein Ensemble übersetzt. Die Schläge auf die Pads und all die Brüche passen punktgenau, aber wie geht das mit diesen Stimmen, die polyphon flirren und schwirren, nicht digital, sondern ganz analog von den beiden Mitsängerinnen gesungen. Und wie sie lachen und sich freuen, weil sie wissen: uh, jetzt wirds gleich fies, und wie sie merken: das hier, was wir hochkonzentriert machen und das so selbstverständlich wirkt, trifft und bewegt in Düdingen. Bis zur Überwältigung.
Hier könnte nun eine special mention für das Eierkostüm von Egg Idiot oder eine Würdigung der Gnod-Gitarrenschallwellen oder ein Witz stehen, so, wie das Muovipussi in einer technischen Mik-Problempause gemacht haben («nice weather out here»). Aber die Schreibzeit eilt, also rein ins Haus, zu Jana Rush. Ihr Set klatscht nicht rein wie ihr exorzierendes Album «Painful Enlightenment», aber die zwirbelnde Footwork-Wirkung, wenn man nicht nur eine Minute rasch reinguckt, geht tief in den Körper und in den Kopf.
Ein Sample ruft: «Come on let’s work».
Und wir dürfen weitertanzen, dank all diesen Musiker:innen und Techniker:innen und sowieso allen Bad-Bonner:innen. Denn die Körper: sie sind nun eingestellt.
Die Bad Bonn Kilbi 2023...
…ist leider bereits vorbei. Doch Pause gibts in Düdingen nicht wirklich, denn das Haus ist immer offen.
Support splatz.space!
Wer mag, was wir machen: Hier kann gespendet werden. Neu gibt es das splatz.space-Papier-Abo. Und Fanartikel haben wir auch.
Vielen Dank für das.