Ich fühle mich jetzt natürlich ein bisschen leer. Wenn man an seine Grenzen gestossen ist und sich an einen bestimmten Ort begeben hat, passiert das. Das muss so sein.
Ich bin stolz darauf, dass ich der Angst, mein Projekt könnte nicht funktionieren, widerstanden habe, und dass ich darauf vertraut habe, dass man die Dinge tun muss.
Für das bin ich Norient sehr dankbar; diese Plattform lässt diese sehr persönlichen und noch nicht abgeschlossenen Ansätze zu und unterstützt sie konkret. Raum zu erhalten, in dem man experimentieren kann und in dem jede:r Kurator:in auch eine Praktiker:in ist, ist ein sehr interessantes Format und eine sehr interessante Art und Weise, Kultur zu erleben und zu teilen. Vielleicht ist Kultur hier gar nicht das richtige Wort, ich würde eher sagen, wir teilen Momente miteinander.
Ich habe diese verschiedenen Filme mit dem Gedanken gemacht, dass sie zusammen existieren würden. Aber es war das erste Mal, dass ich sie zusammen gesehen habe. «The Sun Has No Shadow» habe ich vor zwei Jahren gemacht, das scheint mir eine Ewigkeit her. Meine Idee war immer, dass ich verschiedene Kapitel für verschiedene Gespräche über Musik und Beziehungen machen würde. Diese Menschen, diese Gespräche sollten den Film aufbauen – und nicht vice versa. Es sollte also nicht heissen: «Oh, das ist ein Film über Techno, das ist ein Film über die Undergroundszene, oder das ist ein Film über Jazz» – und dann von dieser Position aus an den Film herangehen.
Jeder Film hat auch eine sehr persönliche, transformative Ebene, die so nah am Leben ist, dass es fast keine Trennung zwischen Leben und Film gibt. Als ich den Film über den FOLD-Club drehte, ging ich sehr oft in den Club, filmte viele Stunden.
Ich beschäftigte mich sehr intensiv damit und man hinterfragt sich, warum man die Dinge macht, die man macht – und was in diesem Zusammenhang alles passiert.
Diese persönliche Ebene ist noch nicht abgeschlossen. In «The Sun Has No Shadow» gibt es beispielsweise jenen Moment, in dem mir wirklich klar wurde, dass ich so viele Jahre lang irgendwie verschwunden war oder verschwinden wollte – durch Musik und mit anderen Menschen, die so wie ich durch die Musik verschwinden wollten.
Der zweite Film «Messenger» entstand, als mich Leute fragten: «Okay, was würdest du gerne machen?» Ich dachte mir: Ich bin keine Veranstalterin. Ich bin keine Kuratorin. Darum geht es mir eigentlich nicht. Aber ich bin süchtig danach, Momente mit Menschen zu kreieren.
Meine Art, Filme zu machen, ist sehr einsam. Und ich liebe diesen einsamen Aspekt des Filmemachens oder die Art und Weise, wie ich Filme mache, denn Filme können ja auch eine sehr gemeinschaftliche Angelegenheit sein. Aber ich mache alles alleine, bleibe in meinem Zimmer und denke ständig nach. Es gleicht eher dem Prozess des Schreibens.
Ich liebe es aber auch, wenn man einen Raum sieht und sich vorstellt, wie das Publikum in diesem Raum existiert. Deshalb dachte ich, okay, vielleicht sollte ich die Musiker:innen, mit denen ich zusammenarbeiten möchte, zu den Festivals miteinladen, um dort eine Art dekonstruiertes Filmset aufzubauen. In diesem öffentlichen Rahmen mit Publikum kann ich die Musiker:innen all die Dinge fragen, die ich sie für den Film fragen möchte. Das war ein totales und sehr interessantes Experiment.
Für dieses Projekt reiste ich herum, filmte an ganz verschiedenen Orten – ganz im Gegensatz zum FOLD-Film, denn in jenem Film ist das Haus der Club, und alles spielt sich im Club ab. Und meine Gespräche drehten sich über das Verschwinden und was passiert, wenn man diesen Ort betritt. Aber Experimente haben kein Haus, experimentelle Musik kann in einem Museum, in einem Korridor, in einem Kloster, in einem White Cube, in der U-Bahn oder in einem Wolkenkratzer existieren. Experimentelle Musik existiert an vielen Orten. Sie hat sich wirklich durch die Erfahrung zwischen dem Publikum und den Musiker:innenn gebildet.
Die Tatsache, dass der Film sich verändert und herumreist, und Musiker:innen an andere Ort bringt, ermöglicht, dass sie sich selbst anders sehen. Einen Film über London zu machen, der von anderen Orten unterstützt wird, ist auch sehr interessant. Die Tatsache, dass ich reise, bedeutet, dass jedes Festival einen Teil des Films unterstützt und koproduziert. Es spiegelt das Thema des Films sehr gut wider, dass die Leute, die wirklich an meinen Überlegungen interessiert sind, meine Idee unterstützen. Ich bin überzeugt, dass die Art und Weise, wie wir etwas machen, genauso wichtig ist wie die Dinge, die wir machen. Deshalb hat mich dieses Format, mit dem ich immer noch experimentiere, so fasziniert.
«Messenger» hat sich im Laufe der Zeit sehr verändert. Zunächst dachte ich, der Film würde nur aus Archivmaterial bestehen, das ich über so viele Jahre hinweg gefilmt habe. Aber jetzt ist es eine Interaktion – zwischen dem Kontext des Films, den ich erschaffe, und dem Archiv. Es gibt also eine Gegenwart und eine Vergangenheit. Und dann ist da noch die Live-Vertonung, die die Live-Spannung erzeugt, an der ich interessiert bin.
Als ich gestern in der Dampfzentrale zum ersten Mal die beiden Filme zusammen gesehen habe, dachte ich: Die Aussage von «The Sun Has No Shadow» ist: «Wir existieren.» Und dann dekonstruiert «Messenger» diese Aussage, indem der Film fragt, wer wir sind, was wir tun, wo wir hingehören. Da ist diese ganze Art von existenzieller Offenheit. Der dritte Teil – «Portraits of Friends» – fokussiert sich auf eine meditative Art und Weise auf bestimmte Leute, die sich getroffen haben. Und am Schluss, wenn GAISTER spielt, verschwindet der Film. Es gibt keinen Film mehr, sondern nur noch den Klang und die Klangerfahrung, und es ist so befreiend, den Film loszuwerden.
Ich habe von 2007 bis 2010 in Berlin gelebt. Dort habe ich – genau wie später in London – immer in Clubs und Galerien gefilmt und mit Leuten und Freund:innen gesprochen. Ich habe alles gefilmt: Ich habe die Leute beim Überqueren der Strasse gefilmt, ich habe Leute beim Aufbau einer Ausstellung gefilmt, ich habe tanzende Clubbesucher:innen gefilmt.
Es gibt ja diese Vorstellung, dass ein:e Regisseur:in als Person eine Geschichte haben muss, damit sie etwas zu sagen hat. Ich aber hatte nie das Gefühl, dass ich etwas zu sagen oder etwas beizutragen hatte. Ich nahm das Leben so sehr in mich auf, bis ich verschwand, weil ich keine Grenzen mehr hatte. Ich dachte: Da ist eine Szene, ich werde sie filmen, da ist eine Person, ich werde sie filmen. Es war eine Art und Weise zu fragen, wer ich eigentlich bin. Wenn man nicht weiss, wer man ist, und ständig alles in sich aufsaugt, dann brennt man aber aus.
Die Entwicklung von Kameras, von Technik beeinflusst Kultur so stark. Als erschwingliche Kameras wie die XL1 von Sony auf den Markt kamen, hat jede:r genau dieses Gerät gekauft. Und jede:r hat mit dieser Kamera gedreht. Dann kam die D-SLR auf den Markt, und alle haben damit gedreht. Doch wenn Videokunst, Musikvideos oder Werbespots alle mit demselben Kameramodell gedreht werden, bedeutet das, dass das Bild sehr stark mit dem Markt verbunden ist und man keine persönliche Beziehung zu seinem Werkzeug entwickelt.
Ich habe lieber viele kleine Kameras, die unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Ich mag beispielsweise meine winzige Kamera, weil mich niemand ernst nimmt, und sie eine sehr gute Slow-Motion-Funktion hat. Ich bevorzuge es, viele kleine Dinge zu haben, und dann bin ich es, die die Bedeutung aufbaut und nicht die Kamera. Das gilt auch für die Software. Wenn ich all die verschiedenen Aufnahmen in der Software zusammenführe, teile ich sie nicht in Ordner ein, gebe keine Reihenfolge vor, sondern werfe alle zusammen. Ich mag immer die Überraschung. Doch ich schweife ab, sorry.
Ich bin nach London gezogen, um wieder zu studieren. Ich machte einen Master an der Goldsmiths, dieser war mehr theoriebezogen und philosophisch, und es ging um Fragen, wie die Leinwand auf den Menschen wirkt.
In meinem Atelier verbrachte ich viel Zeit und begann 2012, die «Euro Emptiness»-Formen zu entwickeln. Sie hatten keine Bedeutung, sie sind sinnlos, aber sie gaben mir so viel Frieden. Es wurde mir klar, dass sie wie ein Alphabet sein könnten, und ich könnte Dinge mit diesem Alphabet schreiben, wie in der Kryptographie, und niemand ausser mir würde verstehen, was es bedeutet. Es war das erste Mal, dass ich das Gefühl hatte, eine Sprache zu entwickeln, die von Innen nach Aussen kam – und nicht nur von Aussen nach Innen. Das war ein sehr wichtiger Moment für mich.
Diese leeren Formen entwickelte ich aus dem Bedürfnis nach Leere, nach Leere ohne Bedeutung – und als Antwort auf visuelle Übersättigung. Ich habe sie in Musikvideos eingesetzt. Im Laufe der Jahre fand ich ein Gleichgewicht zwischen der Abstraktion und meinem Filmarchiv und all den Konversationen. Jetzt habe ich das Gefühl, dass alles zusammenkommt.
In Tschechien sprach ich einmal über den Prozess des Filmemachens und wie alles zusammenkam, genau wie mit dir. Eine Frau fragte sehr direkt: «Ja, ja, ja, das klingt alles sehr romantisch, aber wie verdienst du Geld?» Ich antwortete – und ich überraschte mich damit selbst: «Du musst sehr, sehr, sehr romantisch sein, sehr romantisch». Wenn dich etwas so stark antreibt, bis du etwas auf eine sehr ehrliche Art und Weise machst, kannst du Resonanz erzeugen. Aber du musst es richtig machen – du darfst nicht auf halbem Weg stehen bleiben.
Wenn alles nur noch wie eine Transaktion abgewickelt wird, ist Kultur nur noch ein Geschäft. Und es geht nicht mehr darum, was zwischen uns beiden passiert. Genau das ist aber wertvoll und nicht einfach nur romantisch – es kann ja später auch einen wirtschaftlichen Faktor spielen.
Doch es geht nicht ums Geschäfte abwickeln, sondern es geht darum, wer diese Person ist. Warum kommt sie zu dir? Und was ist wirklich los? Und wenn man das versteht, kann etwas heranwachsen. Das geschieht nicht immer, aber wenn es passiert, ist es grossartig. Wenn man in die Falle des Transaktionsgedankens tappt, ist das für die Arbeit nicht sehr fruchtbar. Siehst du das auch so?
Natürlich ist es anstrengender, was die Energie angeht, aber es ist so viel bereichernder. Und ich finde, dass wir den Dingen einen Sinn geben müssen, dass wir uns voll darauf einlassen und es ernst meinen müssen. Wenn wir das nicht tun, warum machen wir es dann überhaupt?
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