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Saskia Winkelmann:
ich bin weniger als 1 Kilometer von mir entfernt

Utopia

1.
es ist schon wieder Januar
(diese Geschichte hat keinen Anfang, der ein Ende ist, das ein Anfang ist)

2.
und auf einmal ist Gehen wie Waten

3.
als erwachte ich aus einem Rausch,
als hätte ich betäubt da gelegen – oder anders,
als hätte ich geträumt, ich habe gut geschlafen

4.
ein Mensch, der mir bekannt vorkommt, sagt zu mir,
du hast Angst vor dem Tod, gib es zu, und ich antworte

5.
ich bin mir im Traum begegnet,
mein Mund ist ein Fisch, ich kratze mir mit den Fingernägeln Schuppen von den Zähnen

6.
Schlafen wie Aufgeben,
Aufwachen wie Wiederkehren,
Aufstehen wie Kämpfen,

7.
ich begegne mir auf der Rolltreppe vor der Migros,
ich treffe meinen Blick,
ich schaue, bis sich der Hals nicht weiter drehen lässt,
ich sehe in meinem Gesicht:
Erstaunen wie Entsetzen,
kaum unten angekommen, fällt ein Karton Eier von einem Gepäckträger,
dann bin ich schon beim Brezelkönig um die Ecke verschwunden und

8.
ich wische mich auf einer Dating App nach rechts,
ich starrte lange auf mein Gesicht, das mir so vertraut ist, dass es fremd wurde wie

9.
wenn man das Wort Mutter oder Berg oder Gott hundert Mal wiederholt und nicht mehr weiss, ob es das Wort gibt und was es bedeutet, wenn wir

10.
die Abkürzung dem Wald entlang nehmen,
die volle Nacht anheulen,
mein spitzes Mäulchen,
und als ich stolpere, helfe ich mir auf, trage mich nach Hause, ziehe mich nackt aus und wickle mich in eine goldene Folie

11.
ich suche einen Menschen, der meine Gedanken sortiert,
nach Farbe und Form, nach Dringlichkeit, nach Temperatur, nach Relevanz, nach Geschmack, nach Zumutbarkeit – ich habe nichts zu geben,
ich habe zu danken

12.
ich treffe mich in einer Bar, ich rauche, ich erkenne mich wieder, ich trinke fünf Bier und drei Schnäpse, während ich einen Menschen, den ich nicht kenne, mit meiner Zunge berühre,
es läuft gut, es läuft französischer Cloud Rap, ich öffne die Augen, ich zwinkere mir zu,
– ouais, c’est le désert dans la tête, deviens quelqu’un pour exister –
ich umarme mich zum Abschied, als wir gehen,
ich habe meine Haarspange verloren und einfach keine neue gekauft

13.
offene Haare, offenes Herz, sagte ein Mensch, der meinen Pony und meine Spitzen schnitt

14.
während wir auf dem Bahnhofsplatz starren, wo zwei Junkies in der Januarsonne Frisbee spielen, fragt mich ein Mensch, der mir mal am vertrautesten war, ob ich Hunger habe,
wir haben fünf Jahre lang geredet und jetzt sind wir verstummt,
ich sei wie meine Mutter, sagt der Mensch, der mir mal am vertrautesten war, noch,
und nimmt den Zug und

15.
ich bin wieder so klein wie eine junge Tanne und meine Mutter überschüttet mich,
denn ein Mensch, der von allem zu viel hat, weiss nicht wohin damit und wer kann es ihm übel nehmen, wer kann es mir übel nehmen,

ich bin wie meine Mutter:

16.
mein Körper und meine Sprache, mein Sprechen und mein Atmen

17.
Essen wie Auffüllen,
Trinken wie Betäuben,
Stöhnen wie Schreien,
Schweigen wie Ersticken,

18.
wer weint hat recht, denke ich und sitze an der Heizung, auf dem Linoleumboden, aus dem Stücke gebrochen sind, irgendwann als wir hier gelebt haben, vor und hinter mir erstreckt sich gar nicht viel –
well, sometimes it’s better not to say anything at all, sagt ein Mensch, der eigentlich singt, und ich müsste ins Bett, aber

19.
es gibt Scherben,
es gibt blutende Hände,
es gibt ganz sicher Hindernisse,
es gibt Herzen, es gibt Lungen, es gibt Augen, es gibt Hände, es gibt Körper,
es gibt die Nahen, die Fernen, die Zukünftigen und es gibt Verwundete, Zurückgebliebene, Verlassene

20.
ich muss in die Wörter rein, muss mich mit ihnen bekleiden, mit ihnen sitzen und
stehen und liegen und da sind mir alle Menschen im Weg und auch das Telefon, in dem die alle sitzen und stehen und liegen und vibrieren

21.
hallo,
sage ich zu mir auf einem quadratischen Passbild auf dem Visumsantrag,
Augenringe, aber die Haare sehen gut aus,
ich gebe, einen Menschen, den ich berührt habe und er mich, als meinen Notfallkontakt an – wo meine Eltern geboren sind, will eine Maschine wissen,
ich lobe mir das Emmental,

22.
mein Name steht auf einer Aluschale mit dem Vermerk VGLM, ich forme den Namen mit den Lippen wie ein Gebet, ich nehme den Deckel sorgfältig ab und darunter

23.
das sind wir, schreibt ein Mensch, den ich vermissen werde, und schickt ein Bild von unseren Schatten, ich lasse es mir als Postkarte nach Hause senden,
– ich bin 4476 Kilometer von mir entfernt –
Dableiben wie Kapitulieren,

24.
ich stellte mir vor, wie lange wir fielen, würden wir nicht fliegen

25.
vor einem Monat habe ich erste torkelnde Schritte gemacht raus aus dem Rauschen, hinein in ein anderes, denn die Nüchternheit ist die grösstmögliche Langeweile

26.
ich will wild träumen und stark schwitzen, und wer nüchtern wird, stirbt
oder

27.
Leben wie Rauschen,
Hinschauen wie Wegschauen,

28.
es gibt Worte nicht umsonst

29.
Schreiben wie Graben

30.
ich werde mir mit Sanftheit begegnen und sagen:
Ich habe Angst vor dem Tod,
es ist noch immer Januar, doch

31.
es gibt nichts zu erzählen, aber

 

 

...

Dieser Text entstand im Dezember 2019/Januar 2020 und wurde im März 2020 in der 30. Ausgabe des Literaturmagazins «Narr» veröffentlicht.

Was mir gefällt

  • der erste und zweite Tag vom Urlaub
  • Wärmeflaschen
  • das Buch «Wie viele Tage» von Andrea Scrima
  • wenn alles sich echt anfühlt
  • Basmatireis
  • an jedem Finger ein Ring
  • wenn (meine) Vorurteile sich als falsch herausstellen
  • Pausen
  • Routinen
  • Vormittage
  • Routinen neu erfinden

 

Saskia Winkelmann ist Autorin und DJ. 2023 ist ihr herausragender Debütroman «Höhenangst» im Verlag Die Brotsuppe erschienen.

Saskia Winkelmann im Web: www.saskiawinkelmann.ch

Am 10. März liest sie aus «Höhenangst» am Thuner Literaturfestival Literaare mit Marie Popall und Catia Lafranchi.

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